Katalog

Wir kennen die Funktionszusammenhänge nicht, können aber aus der Menge der Arbeiten sowie der beteiligten Meister und der Länge der Herstellungs- zeit den Schluß ziehen, daß auch hier manufaktur- ähnliche arbeitsteilige Prozesse organisiert gewesen sein müssen. Wenn Silbermann fünf Typen von Orgeln ent- wickelte, so rationalisierte er die Produktion seines Betriebes entsprechend der Arbeitsorganisation, die in der Periode der sächsischen Aufklärung landes- üblich geworden war. Die Leistungsfähigkeit der Werkstatt setzt noch heutige Orgelbauer in Erstau- nen. Sie lieferte während der dreiundvierzigjährigen Schaffenszeit des Meisters im Durchschnitt mehr als eine Orgel jährlich. Vergleichbare Produktionssteigerungen gab es allerdings zu Silbermanns Zeiten in zahlreichen Gewerken. Dies vermag schon ein Blick auf die An- gebote heutiger seriöser Antiquitätenhäuser zu be- legen, denn noch immer bilden deren Bestände an Möbeln, Silber, Porzellan, Fayence, Glas und Werken der bildenden Künste aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts den wesentlichen Teil ihrer Aus- lagen. Der Merkantilismus, der Manufakturen und bürgerliche Unternehmensgründungen überhaupt privilegierte, ihren Absatz durch Schutzzölle sicher- te und die vermehrten Steuergelder durch Staatsbau- ten wieder in Umlauf brachte, erzeugte fast in ganz Westeuropa einen breiter gefächerten Wohlstand als je zuvor. Sachsen jedoch mit seinem Fundament der Montanwirtschaft und der hohen technischen Kultur, damals schon jahrhundertealt, war eines der führen- den deutschen Länder in dieser Entwicklung des Manufakturwesens. Es wurde hier besonders inten- siv gefördert infolge der Kooperation der Stände, die ebenfalls aus dem Bergbau hervorgegangen war. Lan- desherrliche, adlige und bürgerliche Manufakturen bestanden nebeneinander, ebenso wie Schlösser und Landgüter der Fürsten, des Adels, der Handels- und »Hammerherren«. Viele von Silbermanns Orgeln zeigen diesen Sach- verhalt an durch Hoheitszeichen über den Zentren ihrer Giebel. Selbstverständlich bedeuten die Krone und die Initiale »AR« über der Orgel der Katholischen Hofkirche zu Dresden, daß der König selbst Auftrag- geber und Hausherr war. Jedoch auch die Orgel der Freiberger Jakobikirche gibt durch das Wappen auf ihrem Giebel an, daß August der Starke selbst sie in 15 Dresden, Neumarkt mit Frauenkirche. Sicht vom Jüdenhof. Radierung von Bernardo Bellotto, 1749.

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