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9 as Kurfürstentum Sachsen war Silbermanns Land. Hier wurde er geboren, und fast alle seine Orgeln – ausgenommen die Straßburger seiner Lehr- und Jugendjahre – befinden sich inner- halb der alten kursächsischen Gebiete und in reußi- schen und waldenburgischen Enklaven, in Glauchau, Greiz und Schloß Burgk. Sein Arbeitsgebiet erstreck- te sich also vom Vogtland bis in die Lausitz und vom Erzgebirgskamm bis weit in die Norddeutsche Tief- ebene. Die meisten Werke baute Silbermann aber im Umkreis von Freiberg. Dort wuchs er auf, im dicht besiedelten Zentrum der sächsischen Bergbauregion, in dem sich Stadt an Stadt reihte mit Schächten, Hüt- ten und Hammerwerken, mit Verarbeitungsbetrieben für Silber, Zinn, Eisen, Kobalt, Kupfer und Blei, mit Manufakturen für Steinzeug, Glas und Textilien. Hier wurden seit dem späten Mittelalter ständig modern- ste Technologien entwickelt, und hier gab es eine eigene, bergmännisch bestimmte städtische Kultur mit althergebrachten musikalischen, architektoni- schen und skulpturalen Traditionen, lange bevor die Künste höfisch oder akademisch wurden. Alle diese Städte waren klein, auch nach damaligem Maßstab, aber es waren viele, und sie waren langanhaltend reich, und selbst in den Dörfern arbeiteten Manu- fakturen. Es waren vor allem die Silberadern des Erzgebir- ges, die seit dem 12. Jahrhundert die südsächsische Wirtschaftsstruktur hatten wachsen lassen und mit ihr in Wechselwirkung eine ebenso spezifische Sozial- struktur. Silbermanns Name selbst bezeugt diesen Zusammenhang, er ist landestypisch. Denn die hie- sige Montanwirtschaft beruhte bis zum 15. Jahrhun- dert auf der Tätigkeit von bergmännischen Klein- unternehmern, die mit einfachemWerkzeug Gruben anlegen und nach Silber suchen durften, wo immer es ihnen erfolgversprechend schien. Die Orte, die sie gründeten, wuchsen nur begrenzt infolge ihrer indu- striellen Monokultur, im Gegensatz zu den großen Handelszentren. Aber in den Unternehmen, die seit dem 15. Jahrhundert mit vermehrter Arbeitsteilung und großem Kapitaleinsatz betrieben wurden, koope- rierten als Anteilseigner oder Manufakturisten die Landesherren, Adel und Bürgertum mit gleichem Risiko und gleichen Rechten. Diesen breitgefächerten Herrschaftschichten ist noch die akademische Beam- tenschaft zuzuzählen und ein Teil der bäuerlichen Bevölkerung, deren stabile Wirtschaftskraft auf per- sönlicher Freiheit beruhte – es gab keine Leibeigen- schaft im alten sächsischen Kerngebiet – sowie auf der frühindustriell geprägten gesellschaftlichen Ar- beitsteilung, die den Absatz ihrer Produkte sicherte. Silbermanns Sachsen D Geburtshaus Gottfried Silbermanns in Kleinbobritzsch.

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