Katalog

1 12 Die Einwohner der Stadt besaßen nach dem Brand kaum Vermögen. Den- noch waren einige bereit, sich an dem spekulativen Bergbauprojekt ihres Bürgermeisters zu beteiligen. Die erhalten gebliebene Liste der Interes- senten umfasst genau 94 Personen. Keiner der späteren »Aktionäre« wird geahnt haben, worauf er sich einließ. Das von maximal drei Arbeitern betriebene Unternehmen produzierte nur eins: Verluste. Wie heute be- kannt ist, war das ganze Vorhaben von vornherein aussichtslos. Bis zum Ende der Arbeiten wurden keine verhüttungsfähigen Erze gefördert. Sey- del, der »als Handwerksmann und Tischler so vorhero vom Bergbau nicht sonderl. viel Wissenschaft gehabt«, geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Keineswegs entmutigt, wusste er sich auf überraschende Weise zu helfen. Die wundersame Quelle Jedes erfolgreiche Unternehmen hat seine Legende. Im Falle des Augus- tusbades ist diese so eindrucksvoll, dass sie noch immer Bestand hat. Demnach soll sich vor fast 300 Jahren Folgendes zugetragen haben: »Am 13. Februar 1717 ging Seydel zusammen mit seinem Schwager, dem Schlossermeister Johannes Stelzer, und dem Steiger David Klemm daran, das Mundloch des Sonnenglanz-Stollens aufzumachen, aus welchem eine stark abfließende Wasserader herauskam. Da die Männer alle drei an den Füßen wunde Stellen hatten – dem Bürgermeister hatten seine festen Schu- he die Haut aufgerieben, dem Schlosser war Tags vorher ein Stück glü- hendes Eisen beim Abhauen auf den Fuß gesprungen und den Bergmann quetschte beim Aufschlagen des Stollens ein herabstürzendes Felsstück –, warnte Klemm aus alter Erfahrung seine Begleiter vor dem herausströ- menden Wasser, das scharf und arsenikalisch sei und Blutvergiftung ver- ursachen könne. Der ungeduldige und aufgeregte Seydel streifte aber seine Strümpfe herab und sprang ohne Rücksicht in den Wasserlauf, um in den Stollen vorzudringen. Seine Begleiter folgten ihm. Sie wateten bei ihrem Suchen an diesem und dem folgenden Tage in dem Schachtwasser, ohne daß eine Vergiftung eintrat, und am dritten Tage nahmen sie zu ih- rer höchsten Verwunderung wahr, daß bei allen dreien die Wunden voll- kommen geheilt erschienen.« Soweit die Überlieferung der Familienchronik. Die Akten der kursäch- sischen Bergbaubehörde sprechen eine andere Sprache. Aus ihnen geht hervor, dass der Sonnenglanz-Stollen erst zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem die Arbeiten zur Erzgewinnung bereits in vollem Gange waren, geöffnet wurde. Auch die wundersame Heilung der fußlahmen Runde darf bezweifelt werden. Sicher ist nur, dass der geschäftstüchtige Bürger-

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