Katalog
75 Die Rhododendren von »Sansibar« uns bis ins Innerste. Gegen Mutter war er stets freundlich. Ich entsinne mich, wie ihm ihre Bildung sichtlich wohltat, wenn er einen Geschäfts- freund ins Haus brachte. Dann war ich stolz auf meine Eltern, wenn sie sich zum Beispiel französisch mit dem Gast unterhielten. Nur Mutters sogenann- te Weinkrämpfe behagten Vater nicht. Er, der sich bei seinem schweren Asthmaleiden so beherrschte, konnte dieses Nachgeben und Empfindlich- sein nicht verstehen. Ach dieses furchtbare Leiden! Wohl mit 36 Jahren bekam er Rippenfellentzündung. Der Arzt nahm es auf die leichte Schulter und sagte, ein Gärtner ginge doch nicht ins Bett. Mutter ließ einen zweiten Arzt kommen, der entsetzt war über die Leichtsinnigkeit des Kollegen. Aber die Verschleppung der Krankheit hatte dem Organismus bereits so geschadet, daß dieses Herzasthma zurückblieb. Von da an mußte Vater mit einer festen Rolle im Rücken und zwei Kopfkissen sitzend schlafen. Wenn nachts die Erstickungsanfälle kamen, wo er stöhnend nach Luft rang, stan- den wir zitternd an unserer Schlafzimmertür. Weil Vater Vollbart trug und allgemein für so würdig angesehen wurde, habe ich nie gefühlt ob er jung oder älter war. Christel nannte ihn ›Papa‹ und die Gärtner alle ›Vater‹. Das Verhältnis zu den Angestellten war wunderhübsch. Den Gehilfen gegen- über blieb Vater der feine Lehrherr, aber Unbotmäßigkeiten im Lebenswan- del konnte er streng tadeln. Die Arbeiter wurden ganz individuell behan- delt, der alte Grabowsky hat oft gehört: ›Na Edward, du altes Kamel‹, und ich glaube, der nahm es als Kosenamen. Wie hat er zum Beispiel den Glaser Adam auf den rechten Weg gebracht. Er war ganz in sozialdemokratische Kreise geraten und wollte seine Ideen auch den anderen Arbeitern beibrin- gen. Nicht mit harten, sondern überzeugenden Worten sprach Vater mit ihm und brachte ihn so weit, daß er bei der nächsten Wahl mit dem großen Plakat der ›Konservativen Partei‹ an der Tür des Lokales stand. Diese Ge- mütlichkeit gegenüber dem einfachsten Manne, schloß aber nicht aus, daß er ohne Hemmungen und Bedenklichkeiten den rechten Takt gegenüber dem König fand. Es war nur nicht der schmeichlerische, unterwürfige Ton der Hofschranzen und gerade das muß den König sehr angezogen haben. In dem Teil südlich der Augsburger Straße hatte Vater zwei Gewächshäuser bauen lassen, die auf Schienen standen und weggerollt werden konnten. Das imponierte dem König so, daß er selbst die Kurbel drehte. Wegen des doppelten Platzes fiel die Erfindung in Vergessenheit. Die ausländischen Geschäftsfreunde waren Vater sehr zugetan. Wie sorgfältig nahm er vor den Ausstellungen die fremde Ware zum Antrieb auf, daß die Herren sie zur rechten Zeit wohlentfaltet, aufstellen konnten. Mancher hat auf diese Weise den Preis erhalten. Da gab es schon mal schöne Dankesgaben, zum Beispiel ein ganzes Fäßchen russischen Kaviar. Auch die herrlichen Konife- ren waren ein Geschenk, und der König fragte neidisch, woher die schönen Exemplare wären…«
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