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die verlorenen Besitztümer zurückkaufen, doch die Wirtschaft erholte sich nur sehr langsam wieder. Die Einwohnerzahl von ca. 10 000, die Görlitz um 1500 gehabt hatte, wurde erst nach 1800 wieder erreicht. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Görlitz mehrfach belagert und geplündert. 1635 ging die Landesherrschaft über die Oberlausitz und Görlitz vom katholischen Böhmen an das protestantische Kurfürstentum Sachsen über. Auf dem Wiener Kongress 1815 wurde dann die Oberlausitz geteilt, der östlicheTeil mit Görlitz ging an das Königreich Preußen und wurde als preußische Oberlausitz in die Provinz Niederschlesien eingeordnet, der westlicheTeil blieb (jetzt königlich) sächsisch. Gör- litz wurde nun nicht nur politisch, sondern auch kulturell von Preußen, von Berlin her, bestimmt. Die Industrialisierung brachte der Stadt neuen Wohlstand und Wachstum. Aus den Tuchmacher- manufakturen wurden große Textilfabriken, hinzu kam der Großbetrieb für Waggonbau und Maschi- nenbau WUMAG, gegründet 1847 von Johann Christoph Lüders als »Eisenbahn-Wagenbau-An- stalt«. Nach vielen Fusionen ist er seit 1996 ein Fabrikationsstandort der kanadischen Firma Bom- bardier und größter Arbeitgeber der Stadt. Wegen seiner großzügigen Steuerpolitik wurde Görlitz im 19. Jahrhundert auch zu einem bevorzugten Al- tersruhesitz preußischer Beamter. Die Einwohner- zahl wuchs von 8800 im Jahre 1815 auf 81 000 im Jahre 1900, den Höchststand erreichte sie 1931 mit 94 000. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt von Zerstörungen weitgehend verschont. Durch die am 2.August 1945 im Potsdamer Abkommen von den Alliierten beschlossene Grenzziehung wurde Görlitz geteilt. Die jenseits der Neiße gelegenen Stadtteile, ca. 10 Prozent der Gesamtstadt, kamen unter dem Namen Zgorzelec unter polnische Ver- waltung und fielen schließlich durch die Anerken- nung der Oder-Neiße-Linie durch die DDR 1950 und den deutsch-polnischen Grenzvertrag 1990 an Po- len. Heute leidet das deutsche Görlitz unter Bevöl- kerungsschwund und hatte 2009 nur noch 56 000 Einwohner (1989: 78 000), das polnische Zgorzelec ca. 32 000. Entwicklung der Stadtgestalt Dieser Band erschließt die Architektur der Stadt in drei Rundgängen und in zwei Kapiteln, in denen Denkmale in den Stadtteilen südlich und westlich der Altstadt und einige Ausflugsziele in der Umge- bung von Görlitz und Zgorzelec vorgestellt werden. Bis ca. 1260 verlief die West-Ost-Handelsstraße am Nikolaigraben unterhalb des Burgberges, spä- ter dann durch das Reichenbacher Tor über den Obermarkt, die Brüderstraße, den Untermarkt und die Neißstraße zur Neißebrücke. Die Altstadt be- steht aus zwei Teilen: der ältere Teil entlang der Achse Nikolaistraße, Peterstraße bis zum Unter- markt (1071 – ca. 1200 = »villa gorelic«), Untermarkt, von dort geradeaus in die Weberstraße bzw. in die Querachse Brüderstraße, Neißstraße. Die Bebau- ungsgrenze verlief im Westen wohl entlang der Büttnerstraße, Plattnerstraße, dem Fischmarkt und der Krischelstraße. Der jüngereTeil, das heißt die nach 1250 angelegte Stadterweiterung, er- streckt sich entlang der Parallelen von Obermarkt und Langenstraße. 17
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