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Der höchste Punkt der alten Stadt, hoch über der Neiße, wird beherrscht von der Peterskirche, der Hauptkirche der Stadt. Hier nahm die Stadtent- wicklung ihren Ausgang. Nördlich neben ihr stand die landesherrliche Burg, der spätereVogtshof. Um den Platz vor der Südseite der Peterskirche befan- den sich die »Freihöfe«, die stadtfreien (d. h. von Abgaben befreiten) Höfe der adeligen böhmischen Dienstmannen. Von hier aus verlief die Straße »Hainwald«, deren Name – wie schon gesagt – möglicherweise vom slawischen Ortsnamen Dre- now oder Drewnow abgeleitet ist, zur Neißstraße. Darüber hinaus gehören zur historischen Stadt die Nikolaivorstadt und das ehemalige Viertel der Gerber und Färber entlang der Neiße unterhalb der Peterskirche (Hotherstraße) ebenso wie der jenseits der Brücke gelegene Teil mit dem (nicht mehr vorhandenen) bereits im 13. Jahrhundert er- wähnten Heiliggeistspital. In einer der Theorien über die Stadtentstehung und Stadtentwicklung wird aus dem gekrümmten Ver- lauf der Großen und Kleinen Wallstraße in der Nikolaivorstadt auf die Existenz eines slawischen Rundlingsdorfes an dieser Stelle der Nikolaivor- stadt geschlossen und dieses mit dem 1071 urkund- lich erwähnten slawischen Dorf Gorelic gleichge- setzt. Dem steht die wahrscheinlichere Annahme entgegen, dass das Dorf Gorelic das »suburbium« der Burg (siehe Vogtshof) war. Spätestens seit dem 13. Jahrhundert existierte im Bereich der Niko- laivorstadt eine Handwerkersiedlung von Tuch­ machern und Färbern. Hauptstraßen waren die Bogstraße und der Steinweg. Bis um 1220 verlief entlang des Lunitzbaches unter dem heutigen Niko- laigraben die West-Ost-Fernstraße, die via regia. In diesem Areal vollzog sich die Entwicklung von Görlitz über Jahrhunderte, hier sind die Ensembles von Renaissance- und Barockbauten zu finden, für die Görlitz berühmt ist. Im 19. Jahrhundert verän- derte dann ein rasantes Wachstum die Stadt grundlegend: Von 1823 bis 1856 wurde die mittelal- terliche Stadtbefestigung abgerissen. Die Stadt begann, sich nach außen zu öffnen. Unter dem ver- dienstvollen Bürgermeister Gottlob Ludwig Demia- ni (1783 –1846) – Jurist, 1814 Senator in Görlitz, 1820 Kämmerer, seit 1833 Bürgermeister, dann seit 1844 vom preußischen König ernannter Oberbürger- meister – entwickelte sich Görlitz zu einem Indust- riestandort. Görlitz wurde an das entstehende Ei- senbahnnetz angeschlossen. Bereits 1847 erreichte die Linie der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn- gesellschaft die Stadt, wenig später war dieVerbin- dung zur Strecke Berlin-Breslau der Niederschle- sisch-Märkischen Eisenbahn hergestellt. Die Eisenbahnlinie bildete erst einmal die Grenze für die Erweiterung der Stadt nach Süden. 1848 wurde zwar ein Baustatut für die südliche Vorstadt zwi- schen Bautzener Straße imWesten vor derAltstadt bis zur Neiße im Südosten erlassen, die Bebauung begann aber hier erst nach 1880. Seit den 1860er Jahren begann die Einwohnerzahl immer schneller zu wachsen.Von 1830 bis 1900 erhöhte sich die Ein- wohnerzahl von 11 000 auf 81 000. Es entwickelte sich zunächst das Geschäftszen- trum, ausgehend vom heutigen Demianiplatz und vom Postplatz in Richtung Bahnhof. Dadurch blie- ben der kommerzielle Druck der neuen Cityfunktio- nen und die damit verbundene Bebauung – bis auf Teile des Obermarktes – außerhalb der Altstadt. 18

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