Katalog

Otto Georg Th i erack 107 Lebensweg von Otto Georg Thierack Thierack galt als »Alter Kämpfer«, da er bereits 1932 in die NSDAP eingetreten war, 1934 trat er in die sächsische SA ein und brachte es zum Rang eines Gruppenführers. Geboren am 19. April 1889 in Wurzen, studierte Thierack Rechts- und Staatswissenschaften in Marburg und Leipzig, wurde 1914 promoviert und nahm als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Referendardienst, unter anderem am Landgericht Dresden, wurde er 1920 Gerichtsassessor am Landgericht Leipzig. 1921 zum Staatsanwaltschaftsrat in Leipzig ernannt, wechselte er 1926 zur Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Dresden. Unterlagen, die über seine Tätigkeit im sächsischen Justizdienst Aufschluss geben könnten, sind nicht auffindbar. Die NS-Presse berich- tete später, Thierack habe der nationalsozialistischen Bewegung in politischen Prozessen »wert- volle Dienste« geleistet. 2 Nach der »Machtergreifung« in Sachsen 1933 bestätigte Gauleiter MartinMutschmann Thie­ rack, der nach demRücktritt der Regierung Schieck bereits als Justizminister amtierte, in diesem Amt. Er betonte in einem Aufruf, er habe »Männer berufen, die in jahrelangem Kampf in der vordersten Front der Nationalsozialistischen Bewegung an der Befreiung unserer sächsischen Heimat und unseres deutschen Vaterlandes vom Joche marxistisch-liberalistischer Herrschaft mitgewirkt haben.« 3 Thieracks Amtssitz war zunächst in der Hospitalstraße 7, wo sich heute wieder das Sächsische Staatsministerium der Justiz befindet. Persönlicher Referent wurde sein Vertrauter Herbert Klemm, den er später als Staatssekretär in das Reichsjustizministeriumnach- holen sollte. Thieracks Zeit als sächsischer Minister war von vornherein begrenzt. Im Rahmen der Gleichschaltung der Länder hatte er vornehmlich die Überleitung der Justizverwaltung auf das Reich vorzubereiten. Mit Eifer machte er sich unmittelbar nach Amtsantritt an die personelle Umgestaltung der Justiz. Das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« bot ihm hierfür die Hand- habe. Nach eigenem Bekunden habe er »mit harter Hand« die Justiz von Marxisten und Juden gesäubert. Insgesamt seien von 18700 überprüften Personen mehr als 250 entlassen und mehr als 500 Orts- und Friedensrichter ihres Amtes enthoben worden. 4 Thieracks besonderes Inter- esse sollte sich, wie für einen NS-Juristen typisch, auf das Strafrecht und das Strafvollzugsrecht richten. So sorgte er für eine Verschärfung des Strafvollzugs, etwa durch die Einführung militä- rischer Formen in den Gefängnissen, die Abschaffung der Gefängnisbeiräte und der Gefängnis- fürsorge sowie die Entfernung »undeutscher« Schriften aus den Anstaltsbüchereien. »Sehr am Herzen«, wie er betonte, lag ihm auch die Ausbildung des juristischen Nachwuchses, die er auf Kosten klassischer Fächer mit nationalsozialistischen Inhaltenwie etwa der »Rassenkunde und -pflege« füllte. Er empfahl angehenden Juristen die Mitgliedschaft in der SA, der SS oder im Stahlhelm. Nach Auflösung der selbständigen Berufsvereinigungen der Juristen und korporati- ver Eingliederung in den BNSDJ (Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen) waren die Voraussetzungen für eine »Verreichlichung« der Justiz geschaffen. Thierack, der diesen Prozess begrüßte, wirkte hieran beflissen mit. Dies sollte ihm nicht zum Schaden gereichen. Denn nach dem endgültigen Übergang der Länderjustizbehörden auf das Reich zum 1. April 1935 ernannte Hitler ihn, der keinerlei richter- liche Erfahrung aufzuweisen hatte, auf Vorschlag des Reichsjustizministers Franz Gürtner noch am gleichen Tag zum Vizepräsidenten des Reichsgerichts. Am Reichsgericht in Leipzig waren trotz der zunehmenden Anpassung an die Ziele der Nationalsozialisten unter dem Präsidenten Dr. Erwin Bumke hochqualifizierte Juristen tätig, denen Thierack fachlich kaumebenbürtigwar.

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