Katalog
146 Rassenhygi ene Engagements gewesen zu sein. Weiter heißt es: »U.A. versuchte Dr. Jensen die Gründung einer Braunen Schwesternschaft mit einseitig nationalsozialistischer Einstellung durchzusetzen.« 11 Als Braune Schwestern bezeichneten sich bereits seit 1924 einige der NSDAP und deren Ideologie nahestehende Gruppierungen, die sich »ganz besonders für die Pflege verwundeter SA-Männer und für die Betreuung hilfsbedürftiger Parteigenossen« 12 eingesetzt hatten. In Hannover hatte sich Erna Mach seit 1932 »um die Erfassung nationalsozialistisch gesinnter Schwestern im ›Gau Süd-Hannover-Braunschweig‹ bemüht.« 13 Jensen soll seine »guten Parteibeziehungen« nach der Machtergreifung dazu genutzt haben, der Hannoveraner nationalsozialistischen Schwesternor- ganisation eine Sonderstellung zu verschaffen. 14 Am 30. Oktober 1933 eröffnete in Hannover die erste staatlich anerkannte Krankenpflegeschule der NS-Schwestern, geleitet von Jensen. 15 Am 28.März 1934 wurde die Gründung der Schwesternschaft der N.S.V. verfügt, um die Braunen Schwestern in eine straffe Struktur einzubinden und auch das Pflegepersonal gleichzuschalten. Als das Johannstädter Klinikum zumModellkrankenhaus avancieren sollte, musste es auch über eine nationalsozialistisch gesinnte Schwesternschaft verfügen. Jensen, der Protegé Wag- ners, schien also der richtige Mann in Dresden: Er hatte sowohl seine gefestigte nationalsozia- listische Gesinnung als auch Durchsetzungsvermögen demonstriert und war erfahren bei der Führung und Ausbildung von NS-Schwestern. Er nahm daher bereits an der vorbereitenden Besprechung am 9.Mai 1934 in Dresden teil, auf der unter anderem festgelegt wurde, dass er zum Oberarzt der Chirurgischen Abteilung ernannt würde. Jensen, dem erst am 1. Juni 1934 der Facharzt für Chirurgie zuerkannt wurde, der als Oberarzt einer chirurgischen Abteilung erst seit einem Jahr Erfahrung gesammelt hatte, verdrängte damit den seit 1918 amtierenden Hans Seidel, der in den Ruhestand versetzt wurde. Zugleich sollte Jensen als ärztlicher Leiter des gesamten Krankenhauses fungieren. 16 Bisher waren alle Oberärzte ebensowie der Verwaltungs- leiter lediglich der Stadtverwaltung untergeordnet. Zudemwurde die 1932 geschlossene Schwes- ternschule des Johannstädter Klinikums ebenfalls unter Jensens ärztlicher Leitung als Reichs- mutterhaus der NS-Schwesternschaft mit Schwesternschule am 1. Juli 1934 wiedereröffnet. Jensen sah als Chirurg zwar keine Möglichkeiten, sich unmittelbar der wissenschaftlichen Untersuchung der Naturheilverfahren zu widmen. Er propagierte aber als Ziel jeglicher ärztli- cher Tätigkeit: »Der Wert irgendeiner Behandlungsmethode richtet sich doch danach, wie gut es uns gelingt, mit tragbarer wirtschaftlicher Belastung und geringem Risiko, ein möglichst gutes Dauerergebnis, d. h.Wiederherstellung des krankenMenschen, zu erzielen. […] Wir dürfen uns nicht abschließen gegenüber Anschauungen undMethoden, die uns vielleicht ferner liegen. Vielmehr müssen wir uns ernsthaft bemühen, gerade sie auf ihren Wert und ihre Erfolgsmög- lichkeit zu prüfen […].« 17 Dieses Credo vertrat er als Leiter der 1935 gegründeten Fortbildungs- schule amRudolf-Heß-Krankenhaus ebensowie nach deren Einbindung in die 1938 neu gegrün- dete Dresdener Akademie für ärztliche Fortbildung als deren stellvertretender Vorsitzender. Er galt als guter Operateur, insbesondere für die Nagelung von Schenkelhalsfrakturen, von der sogar ein Lehrfilm angefertigt wurde. 18 Die Chirurgische Abteilung des Rudolf-Heß-Kranken- hauses war, wie das Stadtkrankenhaus Friedrichstadt und selbst das Diakonissenkrankenhaus, aber auch zur Durchführung von Zwangssterilisationen verpflichtet, die vom Erbgesundheits- gericht angeordnet waren. 19 Persönlich hatte Jensen den frühen Tod seiner ersten Frau zu verkraften. Er schloss 1939 die Ehe mit Vera Habert. Dieser Ehe entstammen zwei Kinder. Jensens beide ältesten Söhne fielen im Zweiten Weltkrieg.
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