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Hermann J ensen und Alois Boehm 147 Jensen soll amRudolf-Heß-Krankenhaus keinerlei politischen Druck ausgeübt haben. 20 Mög- licherweise bestand dafür amKlinikumselbst keine Notwendigkeit,war doch allenMitarbeitern bewusst, im Fokus der nationalsozialistischen Führung zu stehen. Der damalige Oberarzt der Chirurgischen Abteilung des Friedrichstädter Klinikums, Albert Bernhard Fromme, bezeichnete ihn hingegen als »erheblichen Nationalsozialisten, mit dem er keine über das Unerlässliche hinausgehende Kontakte pflegte, nie privat«. 21 Andererseits scheint Jensen in Dresden nicht mehr parteipolitisch aktiv gewesen zu sein undwidmete sich offenbar insbesondere der Leitung seiner Chirurgischen Abteilung. Er soll gern gegen 23 Uhr noch einmal auf Station nach dem Rechten gesehen haben 22 und stellte während der Bombenangriffe seine Villa in der Waldpark- straße als Notunterkunft für die Säuglinge in der Kinderklinik sowie der benachbarten Staatli- chen Frauenklinik zur Verfügung.Während andere Ärzte sich vor der Roten Armee in Sicherheit brachten, berichtete Jensen noch am 6. Juni 1945 in einem Brief: »Mir persönlich geht es relativ gut. Ich bin gleichfalls keine Stunde [aus Dresden] fort gewesen und habe jetzt schon wieder über 500 Patienten zu betreuen. Die Arbeit wächst von Tag zu Tag.« 23 Jensen wurde 1945 ver- mutlich imKlinikumverhaftet und in ein russisches Lager oder Gefängnis gebracht. Dort zog er sich eine Sepsis zu und wurde in das Stadtkrankenhaus Dresden-Friedrichstadt verlegt, wo ihm Fromme noch ein Bein amputierte. 24 Dennoch verstarb Jensen am 16.März 1946 in der Klinik. Um die Neue Deutsche Heilkunde im nationalsozialistischen Modellkrankenhaus zu etab- lieren, sollte auch rassenhygienisches Gedankengut im Klinikum, bei den Fortbildungsveran- staltungen und in der NS-Schwesternschule verbreitet werden. Zu diesem Zweck wurde ein weiterer altgedienter Parteigenosse nach Dresden beordert. Hermann Jensen während einer ärztlichen Visite am Rudolf-Heß-Krankenhaus

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