Katalog

Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH  61 1722 Am 8. November empfahl der Manufakturinspektor Johann Melchior Steinbrück die Verwendung der unterglasurblauen gekreuzten Kur- schwerter des kursächsischen Wappens als Manufakturzeichen, anfangs noch in Verbindung mit den Manufakturmonogrammen KPM (König­ liche Porzellan Manufaktur) oder KPF (Königliche Porzellan Fabrik). 1766 Das Manufakturarchiv bezeugt die Herstellung »einer sehr schönen Bis­ quitmasse«. 1774 Der Politiker Camillo Graf von Marcolini (1739 – 1814) übernahm die Manufakturleitung (Marcolinizeit, bis 1814). 1806 Königlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur Meissen 1816 Einstellung des Modelleurs Carl Gottfried Habenicht (1800– 1849), ab 1837 Vorsteher der Gestaltungsabteilung. 1818 Anstellung des Malers Georg Friedrich Kersting (1785 – 1847) als Malerei­ vorsteher. ■ ■ 1828 Nicht zuletzt als Folge der Napoleonischen Kriege brachte die Fabrikation von Luxusporzellanen nicht mehr den erwarteten Gewinn. Unter dem 1814 bis 1833 tätigen Direktor Carl Wilhelm von Oppel (gest. 1833) und dem Inspektor Heinrich Gottlieb Kühn (1788 – 1870), ab 1833 Leiter und 1849 bis 1870 Direktor der Manufaktur, begann eine Zeit technischer und künstlerischer Erneuerungen. Auf der Suche nach gewinnbringenden Produkten gelangte man zur Anwendung technisierter Herstellungs­ methoden. Damit begann die Hinwendung von der Einzel- zur Serien­ fertigung und zur Massenproduktion von Gebrauchsporzellanen. Um die Mitte des Jahres 1828 nahmMeissen, nach der KPM Berlin als zweite deutsche Manufaktur, die Herstellung des Serienprodukts Lithopha­ nien auf. Als Anregung dienten die durch den Dresdner Kaufmann Carl Friedrich Höltzel »von seinen Reisen nach Paris und Lyon« eingeführten, auf der Leipziger Ostermesse erstmalig im deutschsprachigen Raum prä­ sentierten französischen Lithophanien. Sie stammten aus der Pariser Manufaktur von Alexis Sylvain du Tremblay (1796– 1868) und Charles-Paul Amable de Bourgoing (1791 – 1864). Die Ostermesse in Leipzig des Jahres 1828 dauerte vom 27. April bis 4. Mai. Folglich kann man davon ausgehen, dass kurz danach erste Versuche zur Lithophaniefertigung stattfanden. In seiner Abhandlung Lithophanien der Meissner Porzellanmanufak- tur 100 dokumentiert JoachimKunze einen aufschlussreichen Schriftwech­ sel zur frühen Meissener Lithophanieproduktion. Mit Schreiben vom 27. August 1828 an die »Sächsische Landesoeconomie-, Manufactur- und Commerziendeputation« berichtete Höltzel: »Die Porzellanbilder der neuen Erfindung, genannt Lithophanie, sind von seiten der französischen Regierung zugunsten des Erfinders mit dem brevet d’invention für das Nachahmen auf zehn Jahre (richtig: 15 Jahre, d. A.) geschützt, weshalb solche vom Erfinder zu hohen Preisen verkauft werden. 101 Von E.W. Por­ zellanmanufaktur zu Meißen könnten solche, wenn ich nicht irre, leicht und ohne Schwierigkeiten nachgeahmt und obgleich zu weit billigeren Preisen, dennoch alle mit bedeutenden Nutzen verkauft werden, wozu ich alles, soviel ich von dieser Fabrikation habe erstehen können, mit­ teilen werde und alle Modelle, welche der Fabrikant besitzt, liefere.« Am 27. Oktober 1828 gelangte das Schreiben über das Geheime Kabi­ nett des sächsischen Hofes an die Manufakturdirektion mit demVermerk, »ob solche (lithophanische Porzellanbilder) vielleicht als Vorbilder bei ähnlichen Arbeiten der Manufaktur mit Nutzen anzuwenden sein möch­ ten«. Darauf reagierte von Oppel am 14. Dezember 1828 wie folgt: »Bereits an voriger Ostermesse fand ich diesen Artikel in Leipzig unter den fran­ zösischen Porzellanwaren und kaufte eine Wärmemaschine (Réchaud, d. A.) für die Manufaktur, welche daselbst sofort in Arbeit genommen wurde und in Meißner Porzellan ausgeführt worden ist. Seitdem sind auf meine Anordnung mehrere dergleichen Gegenstände von vorhandenen erhabenen Formen abgeformt und für den genannten Zweck verwendet, auch neue dergleichen Bilder angefertigt worden. Letztere können ohn­ gefähr zu denselben Preisen, wie die französischen, die nachgeformten aber etwas billiger verkauft werden.« Am 23. Januar 1829 folgte die Ergänzung, »daß die von Kaufmann Hölt­ zel erhaltenen lithophanischen Bilder, soweit solche als brauchbar befun­ den wurden, auch sogleich in Arbeit genommen wurden und bis jetzt zu Lichtschirmen mit Vorteil debitiert, aber auch gleichzeitig mit 25 Taler 17 Groschen an den Kaufmann Höltzel bezahlt, und die soweit nicht ver­ wendbar und bereits bei der Manufaktur vorhanden, an diesen zurück­ gegeben worden sind. Über den zweckmäßigsten Grad der Durchsichtig­ keit der Masse bei der Herstellung dergleichen Bilder sind ebenfalls gleich anfangs Versuche gemacht worden und hat sich die gewöhnliche Bisquit­ masse dann dazu am brauchbarsten gezeigt. Da nämlich Licht und Schat­ ten gleich berücksichtigt werden müssen, so geht bei größerer Durchsich­ tigkeit der Masse an Schatten verloren, was an Licht gewonnen wird und umgekehrt. Es ist ebenso schwierig die Abstufungen des Schattens richtig zu treffen als die des Lichts.« Diese Ausführungen widerlegen die Aussagen einiger Autoren, wonach Meissen angeblich Rechte von Bourgoing erwarb, wie in folgenden Pub­ likationen beschrieben: A. & Chr. Scott, Lithophanes – a neglected branch of Victorian ceramics , S. 72: »[…] granted rights of manufacture under licence to the Meissen factory […]«. H. Newman, Lithophane Plaques , S. 7: »De Bourgoing did in 1827 sell the lithophane technique, or granted a licence, to the Meissen factory, and plaques are extant that bear the crossed-swords mark of Meissen.« Robin Reilly, Wedgwood – The New Illustrated Dictionary , S. 263: »[…] the manufacturing rights were bought by Meissen.« Die Wahrheit ist, dass Meissen (wie auch Bourgoing) in damals durchaus üblicher Manier sich unter widerrechtlicher Aneignung fremdenWissens einen ökonomischen Vorteil zu verschaffen suchte. Man kopierte fremde Objekte und ging mit dieser Erfahrung zur Eigenproduktion über. Auch

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