Katalog
62 Deutsche Manufakturen wäre der Ankauf des Patents schon deshalb nicht sinnvoll gewesen, da das Schutzrecht in Deutschland keine Gültigkeit besaß. Die von der KPM Berlin erfundene Technik war u. a. in Bourgoings Patentschrift beschrie ben und somit unter bestimmten Voraussetzungen jedem Interessenten zugänglich. Dazu besaß Meissen überaus fähige Porzelliner, die inner halb kurzer Zeit mit der neuen Gestaltungstechnik umzugehen wussten. Über die Herstellung der ersten Lithophanien bis zumNovember 1828 berichtet B. Kovalevski in ihrer Dissertation: »Tatsächlich läßt sich im Tax-Buch für das weiße Corps im Juli 1828 ein ›Transparent-Kasten‹ mit Unterteil (Form-Nr. S 21), ein zweiter imNovember (Form-Nr. S 26) und ein Lichtschirm als Glocke (Form-Nr. S 28) nachweisen. Das Modell zum Transparent-Kasten wurde vomGipsradierer Däbritz gefertigt, die Sujets zum Lichtschirm als Glocke (Basrelief-Gruppe zum Lichtschirm) vom Modelleur Johann Daniel Schöne.« 102 Weiterhin heißt es: »Der Modelleur […] Habenicht erhielt besonders viel Aufträge zur Modellierung von Wachsformen für Lichtschirme […] So hatte C. G. Habenicht 5 Transpa rentgefäße der Nr. S 21 und 26 sowie 22 Lichtschirme mit Landschaften und 9 mit Figuren, einen Lichtschirm der Nr. 1 (Johannes) und siebenmal der Nr. 13 (Mädchen am Ziehbrunnen) noch imNovember 1828 fertigge stellt. Die Repareurs Karl G. Knäbig und Johann G. Schiebell fertigten 70 Lichtschirme mit Landschaften, der Former Johann G. Schröder 77 ovale Lichtschirme und der Gipsradierer Christian G. Däbritz 24 Modellplatten für Lichtschirme an. Letztere werden die für die Ausformung der Porzel lanplatten benötigten Gipsformen von den modellierten Wachsplatten bzw. von angekauften Modellen gewesen sein.« 103 Dazu ergänzend ist anzumerken, dass Johann Gottlieb Schiebel (geb. 1775), seit 1793 als Bossierer inMeißen tätig, Wachsreliefs fertigte, darunter »ein Portrait des sächsischen Königs«. 104 Der Museumsführer Schauhalle Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen von 1994, 3. Auflage, zeigt auf den Seiten 74/75 einen »Lithophanie-Lampenschirm von Schiebel mit Engel motiv aus der Sixtinischen Madonna von Raffael, Biskuit, weiß«, jedoch unter dem falschen Herstellungsjahr 1827, richtig muss es heißen 1828. In den letzten Tagen des Jahres bekräftigte der König seinenWillen zur Lithophaniefertigung und forderte »eine bessere Qualität als die franzö sischen Muster«. 105 ■ ■ 1828 In der Zeit von 1828 bis 1844 wurden folgende Erstausformungen gefertigt: 1828 Nr. 1 – 13 (bis November) 106 1830 Nr. 82 (bis 21. September) 107 1834 Nr. 111, 112 1836 Nr. 124– 126, 131, 139 sowie eine Vase mit lithophanen Sujets 1837 Nr. 140 und eine Glocke mit lithophanen Sujets 1838 Nr. 151 – 153 und eine lithophane Glocke zu Windlichtern 1839 Nr. 154– 157, 165, 167 1840 Nr. 168 – 172 1841 Nr. 173 – 177, 182, 183 1842 Nr. 184– 186, 188 1843 Nr. 189– 191 1844 Nr. 192 – 196 108 Das verwendete Bildmaterial entsprach dem Zeitgeschmack und glich in vielen Fällen den Darstellungen der Konkurrenten. Allerdings fehlten bei Meissen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, fast völlig Portraits und Genrebilder aristokratischer Kreise. Frühe Ausformungen zeigen eine anfangs noch unzulängliche Technik: 1 Objekt: rechteckige Lithophanieplatte, weiß lackierter Holz ständer mit silberfarbenen Metallleisten Maße: Lithophanie 8,0× 11,4 cm, Ständer höhenverstellbar ab 24,5 cm Material: Biskuit, weiß, grob modelliert, im Durchlicht leicht grau-sepiafarben, mittlere Transparenz, wellige Plattenränder Darstellung: »Zwei Kühe in Landschaft« Markung: rückseitig oben links kopfstehend geritzt Platten nummer 6 e Herkunft: Sammlung »S«, Wuppertal Information: Bei den Nummern 6a bis 6h handelt es sich offen sichtlich um Kopien der französischen Manufaktur AdT. → Abb. S. 63 Über die Kennzeichnung Meissner Lithophanien bestand in der Vergan genheit lange Unklarheit. Wer von der Manufaktur Meissen spricht, verbindet damit in der Regel die Schwertermarke. Diese erscheint jedoch auf Lithophanien des 19. Jahrhunderts sehr selten. Nur wenige Platten tragen versteckt eine (stilisierte) Schwerterkennzeichnung. So kam es mangels spezieller Kenntnis zu der Meinung, Lithophanien aus Meißen seien sehr selten. Das ist nicht der Fall. Frühe Ausformungen tragen be reits eine rückseitig geritzte Plattennummer, über die anhand der Preis courants eine sichere Identifizierung möglich ist. Dabei ist aber zu beach ten, dass der KPM Berlin in früher Zeit ebenfalls geritzte Plattennum mern verwendete. Diese können der Meissen-Markierung ähneln. Der Grund für die fehlende eindeutige Markung liegt offensichtlich darin, dass Meissen lange Zeit Probleme mit der Entwicklung einer opti malen Masse hatte. Die bis 1844 verwendete Masse, normales Bisquit aus Sosaer Erde, 109 entsprach nicht den besonderen Anforderungen für Litho phanien. Das bezeugt die dürftige Qualität mancher früher Erstausfor mungen. Vielfach besitzen sie eine rauhe Oberfläche, Brandverzug und mindere, wolkige Transparenz. Die Masse erscheint im Durchlicht grau bis bräunlich-gelb. Das war offensichtlich auch der Grund dafür, dass der für die Auswahl der Bilder und Bildauschnitte wahrscheinlich zuständige Malereivorsteher Kersting eher bildfüllende Motive ohne freie oder ge ring strukturierte Flächen auswählte. 110 Dies stand im Gegensatz zu den eher weißen, glatten, in den weniger strukturierten Flächen noch ausge zeichnet modellierten Produkten aus der Biskuitmasse von der KPM Berlin. Die Meissner Mängel konnten vorerst offensichtlich nur über den geringeren Verkaufspreis kompensiert werden.
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