Katalog

10 Norbert Oelsner druckenden Länge dominierte die Brücke die gesamte mittel- alterliche Stadtanlage. Dabei ist es bemerkenswert, dass die Länge des Brückenbauwerks in etwa der maximalen Längen- bzw. Breitenausdehnung der Stadt von 600 bzw. 550 Metern entsprach. 22 Von wesentlicher Bedeutung für das Aussehen der Dresdner Brücke und deren unverwechselbares Merkmal war die Gestalt der Pfeiler mit ihrem tropfenförmigen Grundriss. Die Vorköp- fe hatte man nämlich stromaufwärts abgerundet ausgeführt, stromabwärts aber spitz zulaufend ausgebildet. Stromauf gerichtete runde Brückenköpfe sind an anderen mittelalterli- chen Steinbrücken im deutschen Reichsgebiet bisher nicht nachweisbar. 23 Neun der abgetragenen Bögen waren in zwei Schalen gewölbt. Regelmäßig bearbeitet waren die Quader der Stirnseiten und der unteren Schalung, während die oberen jüngeren aus Bruchsteinmauerwerk gebildet wurden. Diese doppelte Wölbung zeigt auch der freigelegte Bogen unter dem Georgentor, wobei die obere Schicht von einer nachträglichen Verstärkung stammen dürfte. Hervorzuheben ist, dass er im Scheitel nicht rund, sondern leicht »zugespitzt« geschlossen ist. Die Werksteine der Bogenwölbung zeigen eine Oberflächen- bearbeitung von höchster Qualität mit Randschlag und feiner Überflächung. An zahlreichen der freigelegten Quader ist mittig ein Steinmetzzeichen vorhanden. Die Befundlage schließt einen eventuell ursprünglich vorhandenen hölzernen Brückenoberbau aus. Pfeiler und Bogen sind baueinheitlich entstanden. Auch bei den abgebrochenen Pfeilern fand sich kein Hinweis auf einen der Wölbung vorausgegangenen Ober- bau aus Holz. Für einen derartigen »Vorzustand« der Brücke, von dem immer wieder die Rede ist, gibt es folglich keinerlei bauliche Belege. 24 Die Untersuchung an Pfeiler 23, bei dessen Freilegung sich die mittelalterliche und die barocke Bauphase deutlich abzeich- neten, erbrachte als besonderes Ergebnis, dass an der Dresdner Elbbrücke auch Buckelquader Verwendung fanden. Das Phä- nomen dieser an der Vorderseite nur roh behauen oder als Kissen ausgebildeten Werksteine tritt seit etwa 1150 vor allem im Burgenbau wohl als Wiederholung eines antiken Bauele- ments auf. In Sachsen sind bisher nur an wenigen Bauten Buckelquader nachgewiesen. So an den Burgen in Waldenburg, Wolkenburg, Falkenstein und Leisnig, an mehreren Baulich- keiten in Bautzen – u. a. an der Heiliggeistbrücke – sowie an der Schlossbrücke in Meißen. Die Wirkung der Brücke bis zum Umbau im 18. Jahrhun- dert wurde nicht unwesentlich durch die Anordnung der Zinnen bestimmt. Auch besaß sie drei Zugbrücken, die in den Quellen meist als »Holzbrücken« bezeichnet werden und zeitlich unterschiedlich belegt sind. So gab es eine derartige Brücke vor dem Elbtor auf der Altstädter Seite, am Ende der Brücke auf der Neustädter Seite und mitten auf der Brücke beimWächter­ haus und Zollhaus. Damit deutet sich schon an, dass auf der Brücke auch Gebäude vorhanden waren. Zu nennen ist zunächst die 1305 erstmals erwähnte Brückenkapelle. 25 Diese war dem Corpus Christi geweiht und spielte zu bestimmten christlichen Festen eine wichtige Rolle. Sie wurde 1468/ 69 erneuert und hatte ihren Standort auf Pfeiler 8. Die Kapelle scheint nun dem heiligen Alexius gewidmet worden zu sein. Soweit ersichtlich, kommt dieses Patrozinium im meißnisch-obersächsischen Raum sonst nicht vor. Nach Einführung der Reformation wurde das Kapellengebäude zum Zollhaus umfunktioniert und 1553 im Zuge des Festungsbaus abgebrochen. Zugleich wurde ein neues Elbtor errichtet. Zum Schutz der Brücke und des Zuganges zur Altstadt befand sich an der Neustädter Seite am Brückenende ein Turm, in dessen Nähe auch das Altendresde- ner Brückentor gestanden haben muss. Über Pfeiler 12 befand sich das so genannte Gatter. Dem oben erwähnten Wächterhaus auf Pfeiler 16 fügte man 1558/ 59 einen Zollhausneubau hinzu. 1683/ 84 errichtete man an Stelle dieses Gebäudekomplexes das seit langem für erforderlich gehaltene Blockhaus, welches mit fünf Kanonen bestückt wurde. Die ständigen Reparatur- und Baumaßnahmen an der alten Elbbrücke wurden von zahlreichen hervorragenden Meistern geleitet wie Peter Ulrich von Pirna, Nicl von Zwickau, Hans Schickentantz, Bastian Kramer, Melchior Trost. Beteiligt waren auch Wolf Caspar von Klengel, George Bähr, Johann Gottfried Fehre und natürlich Matthäus Daniel Pöppelmann sowie später auch Gottlob Friedrich Thormeyer. Als sagenhafter Erbauer der Brücke galt noch im 18. Jahr- hundert »Signor Matthäus Fotius«, dessen figürliche Darstellung als Wahrzeichen Dresdens an einem der Brückenpfeiler der alten Elbbrücke angebracht war (sogenanntes Brückenmännchen). 26 Möglicherweise spiegeln sich hier älteste, mit dem Brückenbau verbundene Beziehungen zu Oberitalien wider. Die mittelalterlichen Schriftquellen, die über die Dresdner Brücke berichten, verwenden unterschiedliche Bezeichnungen. Die betreffenden Textstellen der frühesten Erwähnungen bis zu Mitte des 14. Jahrhunderts lauten: 27 „ „ 1228–1234/ 35 »… pontis Dresdae, qui … hoc anno ultra solitum enormiter est vastatus …« „ „ 1287 Aug. 25 »… ante pontem lapideum trans Albeam …« „ „ 1295 Sept. »… ponti in Dresden …« „ „ 1303 Aug. 16 »… ponti maiori in Dresden, qui transit Albeam …« „ „ 1304 Mai 25 »… ponti lapideo in Dresden …« „ „ 1305 Febr. 8 »… ponti maiori in Dresden …« „ „ 1308 Juli 3 »… sanctae Cruci in Dresden et ponti …« „ „ 1311 Juni 26 »… lapidei pontis ultra fluvium Albeae protensi Dresden …« „ „ 1319 Sept. »… pontis trans fluvium dictum Albea …« „ „ 1324 Sept. 18 »… ad pontem, qui ultra Albeam vadit …« „ „ 1342 Febr. »… pontes in Dresden …« Als in den Schriftquellen gewählte Bezeichnungen der Dresdner Elbbrücke sind somit sinngemäß festzuhalten: Dresdner Brü- cke, steinerne Brücke über die Elbe, Brücke in Dresden, große Brücke in Dresden über die Elbe, steinerne Brücke in Dresden, große Brücke in Dresden, steinerne Brücke über die Elbe in Dresden, Brücke über die Elbe. Der Überblick zeigt, dass auch nach der 1287 erstmals auftretenden Bezeichnung steinerne Brücke (pons lapideus) andere Bezeichnungen wie große Brücke oder einfach nur Brücke auftreten, ja in der Quellenüberlieferung sogar in der Überzahl sind. Die betreffenden Urkundentexte stellen natür- lich keine Mitteilungen im Sinne bewusster baugeschichtlicher Informationen dar, sondern wurden in ganz anderer Absicht

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