Katalog
12 Norbert Oelsner verfasst. Urkundenkritisch ist deshalb unbedingt anzumerken, dass die erste Nennung der Dresdner Elbbrücke als Steinbrücke kein konkretes Baudatum in Bezug auf die tatsächliche Errich- tung einer solchen darstellt. Die Ersterwähnung der Dresdner Brücke überhaupt, um 1230, besagt dementsprechend ebenfalls nur, dass selbige zu diesem Zeitpunkt bereits erbaut war, nicht aber, wann und in welcher baulichen Ausführung dies erfolgte. Zur Entstehungszeit der Brücke – ob bereits im 12. oder erst im 13. Jahrhundert – gibt es unterschiedliche Auffassungen. Als Ergebnis urkundenkritischer Untersuchungen kann die Erster- wähnung nunmehr mit stichhaltigen Argumenten in den Zeitraum von 1228 – 1234/ 35 eingeordnet werden. 28 Die betreffende Urkunde war vom Bearbeiter des 1875 erschienenen Dresdner Urkundenbuches zwar nur mit großem Vorbehalt in das Jahr 1275 gesetzt worden; 29 doch erlangte dieses Jahr in der nachfolgenden Literatur für lange Zeit bezüglich der frühesten Brückenerwähnung fälschlich den Status einer »feststehenden Datierung«. 30 Ausdrücklich ist im Text der Urkunde von einer Reparatur der bei der letzten Überschwemmung zerstörten, nicht aber von einer noch im Bau befindlichen Brücke die Rede. Bei ihrer zweiten Erwähnung 1287 wird die Elbbrücke dann als »steinern« bezeichnet. Wenn Markgraf Heinrich der Erlauchte und sein Sohn Friedrich Klemme in diesem Urkundentext bestätigen, »dass unsere Bürger zu Dresden von der ersten Begründung dieser Stadt an ihr Vieh und ihre Herden in unsere Heide vor der steinernen Elbbrücke auf die Weide geschickt haben«, erscheint eine Entstehung der Brücke im direkten Zusammenhang mit dem Prozess der Stadtentstehung und des Stadtausbaus wahrscheinlich. 31 Für einen solchen Prozess sind mehrere Jahrzehnte zu veranschlagen. Es ist in der stadtgeschichtlichen Forschung immer wieder darauf hingewiesen worden, dass Dresden – wie die meisten an einem Strom gelegenen mittelalterlichen Städte – auf diesen bezogen und ausgerichtet war, es sich folglich deutlich von einer Stadt am kleinen Fluss unterscheidet. Auch ist es nichts Neues hier zu betonen, dass der mittelalterliche Stadtgrundriss von Dresden mit der Elbgasse (Schloßstraße) als direkter Zufahrts- weg von und zum städtischen Marktplatz deutlich auf den Elbübergang und damit den Brückenstandort ausgerichtet ist. Stadtentstehung und Brückenbau sind folglich schwer vonein- ander zu trennen und müssen zugleich in den größeren Zusammenhang des Landausbaus und des entstehenden Städtewesens sowie der damit verbundenen Handels-, Ver- kehrs- und geldwirtschaftlichen Entwicklung eingeordnet werden. Hierbei ist auf die außerordentliche Bedeutung der Freiberger Silberfunde zu verweisen. Die Dresdner Elbbrücke entstand natürlich nicht, um lediglich als bequeme Nahverbindung zwischen Altendresden und der werdenden Stadt zu dienen. Mit dem Brückenbau gelang vor allem der dringend notwendige Anschluss Dresdens an den großen West-Ost-Handelsweg, die via regia. Dieser erfolgte als neu entstandene Hauptverkehrsachse über Plauen, Zwickau, Chemnitz, Freiberg und Dresden in Richtung Ober- lausitz im Zuge der sogenannten Frankenstraße, deren bedeu- tendstes Verkehrsbauwerk die Dresdner Elbbrücke darstellte. Die konkrete Befundlage an den bisher zugängigen Bautei- len der Brücke lässt aus rein bauhistorischer Sicht nur einen größeren Datierungsspielraum zu. Quadermauerwerk, Steinbe- arbeitung, Steinmetzzeichen, zugespitzte Bogenausbildung oder Buckelquader sind in dieser Form problemlos in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts einzuordnen. Zwingende Argumen- te stehen dabei der Existenz einer steinernen Brücke zum Zeit- punkt ihrer Ersterwähnung um 1230 nicht entgegen. Nicht unmöglich erscheinen damit auch die Angaben des kurfürstlichen Archivars und Dresdner Stadtchronisten Anton Weck, der die Fertigstellung der Steinbrücke in das Jahr 1222 setzt. 32 Reinhard Spehr geht von einem Baubeginn im letzten Viertel des 12. Jahr- hunderts in direktem Zusammenhang mit dem in dieser Zeit erfolgenden Ausbau des den Elbübergang »beherrschenden« Dresdner Burgareals aus. Für die von Weck und anderen ange- nommene Existenz einer hölzernen Vorgängerbrücke gibt es im Bereich des steinernen Brückenbaues keine Befundnachweise. Ob eine ältere Holzbrücke an anderer Stelle, etwa in der Achse Große Fischergasse/Münzgasse – Wiesentorstraße existierte, bleibt weiterhin eine nicht unbegründete Vermutung. Schwer vorstellbar erscheint eine Frühdatierung der Steinbrücke in die Zeit vor der »Stadtgründung« um 1150, als deren »Urheber« und »Bauherren« Karlheinz Blaschke die Fernhändler einer frühstädtischen Dresdner Kaufmannssied- lung vorschlägt. 33 Auch sieht er in den Kaufleuten die Eigen- tümer der Brücke nach deren Fertigstellung. Dagegen ist zunächst einzuwenden, dass die alte Elbbrücke den Charakter einer juristischen Person besaß, die niemandes Eigentum war und selbst Vermögen anhäufen konnte. Die Verwaltung erfolgte in einem gemeinsamen Vermögensstock mit der Nikolai-/Kreuzkirche durch den Brückenmeister bzw. das ihm unterstellte Brückenamt. 34 Aus diesem Vermögen wurde der Bauunterhalt bestritten. Auch bildete die Brücke einen eige- nen Rechtsbezirk mit einem auf der Brücke selbst stattfinden- den Brückengericht. 35 Allerdings ist Karlheinz Blaschke zuzustimmen, dass die Dresdner Kaufmannschaft ein großes Interesse am Brückenbau besessen haben muss und sicher auch erhebliche finanzielle Mittel aufgebracht haben dürfte. Doch war der Dresdner Brückenbau ein so gewaltiges und kostspie- liges Werk, dass sein Zustandekommen ohne eine koordinie- rende herrschaftliche Kraft schwerlich vorstellbar ist. Dies berührt sofort die Frage nach der Stadtherrschaft über die werdende Stadt Dresden, die in der Forschung seit langem ebenfalls unterschiedlich beantwortet wird. Dass die Reichs- burggrafen von Dohna als lokale Amtsträger des Königtums in dessen Auftrag zunächst die Herrschaft über Dresden ausübten und erst später von den wettinischen Markgrafen verdrängt worden sind, setzt sich inzwischen als Forschungs- ergebnis mehr und mehr durch. 36 Dabei hat die Familientra- dition der Donins die Erinnerung an ihre Rolle beim Bau der Dresdner Brücke bewahrt. Die eingangs zitierte Bemerkung des Burggrafen Christoph zu Dohna ist nämlich wie folgt zu ergänzen: »An dieser Brücke haben die Burggrafen zu Dohna drei Pfeiler gebawet und einen Zoll darauf gehabt bis zu Churf. Aug. Zeiten.« 37 Auch ist glaubwürdig überliefert, dass es noch im des 17. Jahrhundert möglich war, »die zweihörni- gen Wappen der Familie Dohna an dem alten Bauwerk zu erblicken.« 38 Es erscheint jedenfalls nicht abwegig, den Burggrafen in ihrer Funktion als höchste »Lokalbeamte« des Reiches im Dresdner Raum administrative Aufgaben beim Brückenbau zuzuschreiben.
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