Katalog
124 Heinrich Magirius des Bildes gesetzt. Der Anstieg der Brücke von der Altstadt her ist nicht exakt dargestellt. Statt sechs Bögen gibt der Maler diesem Anstieg acht Bögen bis zum Kreuz, wahrscheinlich um die Brücke deutlicher in die ebenfalls weit überhöhte Land- schaft einordnen zu können. Die Brücke endet links gleichsam im Grünen. Obwohl Verkehr auf der neuen Brücke angedeutet ist, wird sie vor allem als wichtiges Monument dargestellt und ist der eigentliche Gegenstand des Bildes. Das Bild lehrt noch etwas nach dem Bau der Hofkirche fast Vergessenes: Dass nämlich Pöppelmann die Brücke im architektonischen Zusam- menhang mit der Festung umgebaut hat. Dabei wiederholte er bestimmte Einzelheiten von den Festungswerken der Stadt, die auf Rochus von Lynar aus dem späten 16. Jahrhundert zurück- gehen, so die Anordnung von zwei übereinander auskragenden Konsolen. An der Brücke diente das »historische« Architektur- motiv dazu, die seitlichen Gehbahnen zu unterstützen. Die Festungsmauer und die ähnlichen Konsolen sind noch heute westlich vom »Basteischlösschen« erhalten. Ein Bild der Brücke und des südlichen Brückenkopfes von Johann Alexander Thiele 112 zeigt, dass mit dem Bau der Hof- kirche und der Kuppel der Frauenkirche der alte Zusammen- hang von Brücke und Festung verlorengegangen ist und dass der Brücke nun auch andere bauliche Konkurrenten erwachsen sind (Abb. 25) . Thiele gibt die Brücke in der Landschaft atmo- sphärisch eingebunden, jedoch viel genauer als Dietrich in ihrem Bezug zum linkselbischen Dresden wieder. Aber nicht die Menschenwerke, sondern die ferne Landschaft und der hohe Himmel über der Brücke lassen die zeitgenössisch bezeugte Begeisterung über das abendliche Landschaftserlebnis, das für die Städter mit der neuen Brücke verbunden war, nachvollzieh- bar erscheinen. Die allbekannten Elbansichten Bellottos weisen der hier exakt wiedergegebenen Brücke eine völlig andere und neue Funktion zu. 113 Schon in dem 1747 entstandenen Gemälde vom rechten Ufer elbabwärts 114 geht es vor allem um die königliche Repräsen- tanz in der barocken Altstadt, der Brücke und Festung gleichsam als Sockel dienen (Abb. 26) . Diese Konzentration der Aufmerk- samkeit auf die barocken Architekturwerke ist bei dem elbauf- wärts gerichteten Bild 115 noch deutlicher (Abb. 27) . Hier ist der Altstädter Brückenkopf als neue städtebauliche Problematik verdeutlicht. Sie ist auch in dem Bild von Schloss und Hofkirche von 1748 116 das eigentliche Thema. Das vom Festungsmauerwerk nicht mehr verdeckte Bauwerk der Hofkirche ist das eigentlich dem Residenzschloss weit überlegene Architekturwerk, das wie die Brücke in die Flusslandschaft unverstellt hineinwirkt. Die Brücke ist nun nicht mehr als Bestandteil der Festung zu verste- hen. Ihre strenge Tektonik und ihre gestraffte Kontur werden im Kontrast zur reichen städtischen Architektur der Residenzstadt Dresden wiedergegeben. Deren vielfältiges Leben ist in allen ihren sozialen Schichtungen selbstverständlicher Bestandteil der Stadt- landschaften Bellottos. Während sich auf einem weiteren 1748 entstandenen Gemälde 117 auf der Brücke hauptsächlich Spazier- gänger ergehen, spielt sich in den vernachlässigten Festungsanla- gen, in der Nähe des heutigen Theaterplatzes, bäuerliches und kleinbürgerliches Leben ab. Doch auch hier ist dieses bescheide- ne Leben gewissermaßen nur die »Unterschicht« zur Neuen Königsstadt jenseits der Elbe, zu der die Augustusbrücke von der Hofkirche – rechts im Bilde – hinüberleitet. 118 Wie sehr die Sicht Bellottos auf Brücke und Stadt nach- wirkt, kann bis in die Ansichten der Romantik abgelesen werden, so etwa an einer großen Federzeichnung aus dem Umkreis Adrian Zinggs aus der Zeit von 1810. 119 Die Bauten des 18. Jahrhunderts einschließlich der Augustusbrücke sind aber nun Zeugen einer Vergangenheit, deren pralles Leben entschwunden ist. Die Brücke baut keine Spannung zwischen den Stadtteilen mehr auf. Sie verdeutlicht mehr die Breite des Flusses und die Höhe des Himmels. Bei Christian Claussen Dahl ist der berühmte »Canaletto-Blick« in ein von Mondlicht erhelltes Nachtbild verwandelt. Nun geht von der dunklen Brücke über den beglänzten Fluss und den Silhouetten der Bauten ein neuartiger Zauber aus. 120 Zwei ganz eigenartige Sichten auf die Brücke sind Carl Gustav Carus zu verdanken. Auf dem kleinen Bild der Kahn- fahrt auf der Elbe von 1827 nähert sich ein Ruderboot mit zwei Rückenfiguren, einem stehenden Ruderer und einer sitzenden jungen Frau, ihrem Ziel. 121 Die Stadtsilhouette mit der Brücke im lichten Morgen ist das Ziel der Gondelfahrt, darf aber gleichzeitig auch als Verheißung auf Ankunft in einer jenseiti- gen Stadt verstanden werden. Dieser Doppelsinn eines Brü- ckenbildes ist noch deutlicher an dem Bild der Sammlung Schäfer von 1830/ 31 ablesbar (Abb. 28) . 122 Eine alte Frau, die gebeugt auf einer Steinbank auf einem der Brückenpfeiler sitzt, legt einem kleinen Mädchen, das vor ihr kniet und ihren Kopf in ihrem Schoß birgt, segnend die Hand auf den Kopf, während daneben ein Hund liegt. Hinter den scharfen Konturen des Brückengitters erscheinen über einem Nebelschleier, vom Abendlicht mit Mondsichel umglänzt, die Hofkirche und das Abb. 28 Hofkirche und Schlossturm von einem Brückenpfeiler der Augustusbrücke gesehen, Gemälde von Carl Gustav Carus (um 1830/31).
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