Katalog
8 Norbert Oelsner zur Verwirklichung eines solchen gigantischen Brückenbaupro- jektes gerade in Dresden geführt haben. Die folgende kurze Einführung sei seinen in diesem Band nun vorgelegten baugeschichtlichen und geschichtlichen Erkenntnissen, die auf genauen bauarchäologischen Befunddo- kumentationen, intensiven verkehrsgeschichtlichen Feldfor- schungen sowie erstmals auch einem beeindruckenden Ver- gleich mit anderen hochmittelalterlichen Steinbrücken im Stauferreich basieren, und den sich anschließenden vielschich- tigen Studien von Heinrich Magirius zur kunst- und kulturge- schichtlichen Bedeutung der Dresdner Elbbrücke vom Mittel- alter über die »Augusteische Glanzzeit« bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vorangestellt. 9 »Ist eine schöne steine Brücke über die Elbe, wie die zu Regensburg und Prag. Daher das Sprichwort: Regensburg die schönste, Dresden die stärkeste, Prag die längeste…« Diese Notiz aus dem Jahre 1616 stammt von Burggraf Christoph zu Dohna, als er – dem preußischen Zweig des doninischen Adelsgeschlechts angehörend – auf familiengeschichtlicher »Spurensuche« durch Böhmen und Sachsen reiste und dabei auch Dresden besuchte. 10 Betrachtet man seine gesamten Aufzeichnungen zum Aufenthalt in Dresden, so scheint ihn von den Sehenswürdigkeiten und Baulichkeiten der Stadt gerade die Elbbrücke besonders beeindruckt zu haben. Tatsäch- lich galt die steinerne Elbbrücke noch im 17. und 18. Jahrhun- dert als architektonisches Wunder Dresdens (Abb. 2) . 11 Seit ihrer Entstehung war sie das gesamte Mittelalter hindurch das monumentalste Steinbauwerk nicht nur der Stadt selbst, son- dern des gesamten meißnischen-obersächsischen Raumes. 12 Ohne Zweifel konnte sie sich, wie auch das Zeugnis des in Europa weit herumgekommenen Christoph zu Dohna bestä- tigt, mit den kaiserlich-königlich privilegierten Monumental- brücken in Prag und Regensburg messen (Abb. 3) . Im 18. Jahrhundert erhielt die Dresdner Elbbrücke dann den Status eines erstrangigen Symbols für die königliche Stel- lung Augusts des Starken und seines Nachfolgers. 13 Mit dem von 1727/ 28 – 1731 durch Oberlandbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann als Architekt und Ratsmaurermeister Johann Gottfried Fehre vorgenommenen Umbau wurde die Dresdner Brücke auf »Ihro Majestät« Befehl »mit grossen Kosten, in einen solchen Stand gesetzet, daß sie allerdings vor die schönste in gantz Teutschland passiren kan.« 14 Auch wer- tete man die nunmehrige »Augustusbrücke« als Pöppelmanns »größtes Meisterstück« und kein anderes sächsisches Bauwerk wurde in einer solchen Vielzahl zeitgenössischer Beschreibun- gen bewundert. 15 Gestalterisch beeindruckte die Brücke mit ihren nun hochgezogenen, oben als halbrunde Ausstritte angelegten Pfeilern durch gewonnene »strenge Klarheit und Ausdruck von Stabilität«. 16 In ihrer gesamten damals sichtbaren Länge von über 437 Meter (seit 1737 ca. 402 Meter) erhöht, hatte man sie auf über 11 Meter verbreitert. 17 Dazu dienten die für das neue Erscheinungsbild charakteristischen Kragsteine, auf denen die Gehwegplatten lagerten (Abb. 4) . So »in den vollkommensten Stand« versetzt, blieb die Augustusbrücke noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das einzige Dresdner Brückenbauwerk über die Elbe. 18 Bei den Abbrucharbeiten 1907 bis 1909 durchgeführte Untersuchungen ergaben, dass das Bauwerk wesentliche Teile seiner mittelalterlichen Substanz bewahrt hatte, wenngleich aber auch zahlreiche spätere Reparaturen bis hin zur vollstän- digen Pfeiler- und Bogenerneuerung feststellbar waren. Der Abbruch umfasste den Brückenbereich vom Beginn des Bogens 8 bis zum Ende des Bogens 22 auf einer Länge von 359,1 Metern. 19 Damit können die bis heute erhaltenen Teile der alten Elbbrücke benannt werden. Es handelt sich um die ersten Pfeiler und Bögen der linkselbischen Brückenrampe bis Pfeiler 7. Sie wurden mit der Erbauung des Georgentores um 1519 bzw. 1533/35 und der 1546–1555 errichteten Dresdner Fes- tungsanlage teilweise oder vollständig bis zum Pfeiler 6 zuge- schüttet. Der folgende, beim Bau des neuen Elbtores (»Schönes Tor«) veränderte Brückenabschnitt bis Pfeiler 8 erfuhr dieses Schicksal erst 1737 vor Errichtung der Hofkirche. Dies bedeu- tet, dass die alte Brücke hier noch in einer Länge von ca. 150 Metern weitgehend besteht, allerdings ist der heutige bauliche Zustand zum überwiegenden Teil unbekannt. Auf der rechts elbischen Seite ist der Bereich der Brückenrampe mit Pfeiler 3 Schematischer Grundriss der Dresdner Elbbrücke (um 1500), nach W. Nagel, ergänzt.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1