Katalog

Als wir im Herbst 2002 von der Stiftung Frauenkirche um einen Kostenvoran- schlag für den Neubau der Orgel gebeten wurden, war die Aufgabe, ein neues Werk im Sinne von oder in Anlehnung an Gottfried Silbermann zu realisieren. Nach langjährigen Überlegungen und Verhandlungen war dieses Thema von der Orgelkommission endgültig abgeschlossen worden. Eine strenge Kopie der vernichteten Silbermann-Orgel von 1736 sollte nicht gebaut werden. Im Laufe der Zeit war das Werk von Gottfried Silbermann durch viele Veränderungen und Vergrößerungen umgestaltet worden. Bei der Zerstörung im Jahre 1945 hatte der Hauptspieltisch fünf Manuale, und die Orgel war von ehemals 43 Registern auf insgesamt 85 Register gewachsen. Der originale Spieltisch, die gesamte Traktur, die Balganlage, zwei Windladen und sieben Register von Silbermann waren schon damals nicht mehr vorhanden, sondern durch neue Teile ersetzt worden. Auch das originale Pfeifenwerk war größten- teils klanglich stark verändert. Als ich 2003 nach Dresden kam, um einen ersten Eindruck vom Kirchen- raum zu gewinnen, waren die Bauarbeiten noch in vollem Gange. Das Bau- werk war zudem noch von vielen Gerüsten verdeckt. An einem davon war ein Plakat angebracht, auf welchem geschrieben stand: »Brücken bauen – Ver- söhnung leben«. Diese anrührende Aufschrift war für mich ausschlaggebend. Von diesem Moment an war mir klar, eine musikalische, kulturelle und fried- liche Brücke erschaffen zu wollen, die darin besteht, ein Werk zu bauen, in welchem die drei Orgelkulturen gemeinsam erklingen: die sächsische durch Gottfried Silbermann, die elsässische durch seinen Bruder Andreas Silbermann und die Pariser durch Aristide Cavaillé-Coll. Ich war nie besonders begeistert von der Idee eines Nachbaus der Silber- mann-Orgel von 1736. Besonders nicht im Dresdner Fall, da ganz in der Nähe der Frauenkirche – in der Hofkirche – ein großes, originales Werk von Gottfried Silbermann zu hören ist. Mein Konzept sollte auch für das musikalische Leben in Dresden neue Horizonte eröffnen und neue Möglichkeiten bieten. Die Orgelkommission hatte mein Anliegen verstanden und daher die Firma Kern mit dem Neubau der Orgel beauftragt. Der Aufbau der neuen Orgel Das neue Werk hat vier Manuale. Das erste Manual ist das Hauptwerk, das zweite das Oberwerk, das dritte das Récit Expressif nach Cavaillé-Coll und das vierte das Brustwerk. Die Aufstellung der Werke im Gehäuse, das getreu nach dem Original von George Bähr von der Firma Karsten Püschner aus Hartmanns- dorf im Erzgebirge nachgebaut wurde, ist der Aufstellung von Gottfried Silber- mann sehr nahe. Das Brustwerk sowie das Klein- und das Groß-Pedal befinden sich im Untergehäuse, das Hauptwerk in der Höhe der Prospektpfeifen, das 12 Mein Wunsch für Dresden Dan i e l K e rn

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