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9 Die Architektur Martin Pietzschs Martin Pietzsch war ein Architekt, der in Dresden, speziell in Blasewitz und Loschwitz, seit den späten 1890 er bis Mitte der 1930 er Jahre wirkte. Als privater Architekt verwirklichte er vor allem Wohnhaus- und Villenbauten sowie Restaurants und war auch als Baukünstler für Innenraumgestaltungen für gehobene Unterhaltungs- und Gasthausbauten tätig. Neben Pietzschs Loschwitzer Künstlerhaus ( 1897 – 98 / 1904 - 05 ), einem wohl einzigartigen, kombi- nierten Atelier- und Wohnhaus für bildende Künstler, liegt seine Bedeutung vor allem in seinengroßenKinopalästen, die der Architekt –begonnen schonmit demU.T.-Lichtspieltheater ( 1913 ) – in den 1920 er und 1930 er Jahren in Dresden und Umgebung baute. Anfänglich stilistisch suchend zwischen spätem Historismus, Jugendstil und den neuen reformerischen Strömungen in der deutschen Architektur um 1900 , wandte er sich ab ca. 1905 vollends letzteren zu. In dem Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg ist er der Reformarchitek- tur zuzuordnen, in den 1920 er Jahren der konservativeren Strömung der Moderne; seine Bauten der 1920 er und 1930 er Jahre zeigen den Einfluss von Expressionismus, Neuem Bauen und Art déco gleichermaßen. Dresden war nach 1900 ein wichtiges Zentrum der Reformbewegung, gerade auch in Baukunst und Formgestaltung. Dies beeinflusste Pietzsch – und er selbst gab der Bewegung auch einige Impulse als Architekt und Formgestalter sowie durch seine Tätigkeit als Funktio­ när in der Dresdner Kunstgenossenschaft und später im Bund Deutscher Architekten (BDA). Martin Pietzsch reiht sich als Baukünstler (so bezeichneten sich die Architekten der Zeit selbstbewusst und oft auch berechtigt) ein in eine Reihe von Dresdner Namen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wie Fritz Schumacher, Hans Erlwein, Rudolf Kolbe, Georg Heinsius von Mayenburg, den bedeutenden Architekturbüros Lossow & Kühne und Schilling & Gräbner sowie Heinrich Tessenow, Richard Riemerschmid, Oswin Hempel, Ernst Kühn und Emil Högg. Zu einigen Mitgliedern der Dresdner Künstlervereinigung »Die Zunft« (gegründet 1906 von Hans Erlwein zur zusammenführenden Arbeit von Architekten, Bildhauern und Wandgestal- tern) sowie zu Vertretern des »Deutschen Werkbundes« (gegründet 1907 u. a. von Hermann Muthesius) pflegte Pietzsch berufliche, z. T. auch freundschaftliche Kontakte. Martin Pietzsch hatte seit 1888 an der Königlichen Kunstakademie Dresden bei Constantin Lipsius studiert, einem Vertreter des späten Historismus. Lipsius bevorzugte, im Unterschied zu seinen Vorgängern an der Kunstakademie Gottfried Semper und Georg Hermann Nicolai, einen üppigeren, sehr pathetischen Stil aus Elementen der Hochrenaissance, des Manierismus und des Barocks französischer Spielart. In Pietzschs Studienentwürfen wird dieser Beaux- Arts-Stil deutlich. Wesentlich bei der Beurteilung dieser Entwürfe sind die von Lipsius ge-

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