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21 »Ob nicht vielmehr ein Freispruch in Erwägung zu ziehen ist« Mit diesem Schreiben wandte sich der sächsische Gauleiter Martin Mutschmann ( a S. 222) am8. Mai 1935 während eines laufenden Prozesses vor der 12. Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden an den vorsitzenden Richter. Im Herbst 1934 hatte die Dresdner Staatsanwaltschaft wegen des Vor- wurfs der Gefangenenmisshandlung Ermittlungen gegen den vormaligen SA-Lagerkommandanten Rudolf Jähnichen und weiteres Wachpersonal des KZ Burg Hohnstein aufgenommen. Bereits im De- zember 1934 hatte der Gauleiter vergeblich ver- sucht, beim Reichsjustizminister eine Niederschla- gung des Verfahrens zu erwirken. Trotz der erdrü- ckenden Beweislast legte Martin Mutschmann dem Landgerichtsdirektor Johannes Roth nahe, die An- geklagten freizusprechen. Wegen dieser direkten politischen Einflussnahme auf die Justiz fand das Schreiben Eingang in die Beweisdokumente im Nürnberger Juristenprozess 1947 vor dem amerika- nischen Militärgerichtshof. Trotz dieser Intervention verurteilte das Dresdner Landgericht Rudolf Jähnichen wegen »Körperver- letzung im Amt« zu einer sechsjährigen Gefängnis- strafe. Auch seine Untergebenen wurden bestraft. Zwar ließen sich die Dresdner Richter ihre Unabhän- gigkeit nicht nehmen, doch hatte das Urteil keinen Bestand. Nach einer neuerlichen Intervention Mar- tin Mutschmanns begnadigte Hitler die verurteilten SA-Männer Ende 1935. Zudem wurden die beiden an der Urteilsfindung beteiligten Laienrichter wegen »parteischädigendem Verhalten« aus der NSDAP ausgeschlossen. Die Justizjuristen konnten ihre Berufswege dagegen unbeschadet fortsetzen. Schreiben Martin Mutschmanns an Landgerichtsdirektor Dr. Johannes Roth, 8.5.1935 (Abschrift), aus: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militär­ gerichtshof. Bd. 26, Urkunden und anderes Beweismaterial, Nürnberg 1947, Nr. 784-PS

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