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22 1933–1945 vor Gericht Dr. Richard Schulze (1887 – unbekannt, nach 1950) Der Sohn eines Kaufmanns kam am 25. Januar 1887 in Meißen zur Welt. Nach Abschluss seines Jura­ studiums 1909 war Richard Schulze bei der Dresd- ner Staatsanwaltschaft zunächst als Referendar, dann nach der zweiten Staatsprüfung 1914 als As- sessor tätig. 1911 wurde er mit einer zivilrechtli- chen Arbeit an der Universität Leipzig promoviert. Nur wenige Monate nachdem Richard Schulze 1916 eingezogen worden war, geriet er in französische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung war er seit 1919 als Staatsanwalt in Dresden tätig. 1921 heiratete er. 1923 wurde Richard Schulze in das sozialdemokratisch geführte sächsische Justizmi- nisterium abgeordnet. Etwa zeitgleich schloss er sich für etwa ein Jahr der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei an. 1930 wurde Richard Schulze zum Landgerichtsrat, ein Jahr später zum Oberlandesgerichtsrat ernannt. Als beisitzender Richter und Vertreter des Senatspräsidenten war er in den 1940er Jahren für die Aburteilung von Hochverratsdelikten vornehmlich deutscher und tschechischer Angeklagter ebenso zuständig wie für Fälle von »Wehrkraftzersetzung«. Seine Vorge- setzten lobten seinen juristischen Sachverstand und hoben seine ausgewogenen Urteile hervor. Richard Schulzes fehlende Parteimitgliedschaft und Zweifel an seiner politischen Zuverlässigkeit schlossen jedoch nach Auffassung von Oberlan- desgerichtspräsident Rudolf Beyer und NSDAP-Gauleiter Martin Mutschmann ( a S. 222) eine Füh- rungsposition im Justizdienst aus. Ihre Einschät- zung war nicht unberechtigt. Richard Schulze scheint sich in seiner strafrechtlichen Praxis um unabhängige Urteile bemüht zu haben. In diesem Sinne legte er seine Ermessensspielräume auch zugunsten der Angeklagten aus. Unter seinemVor- sitz wurde kein Todesurteil ausgesprochen. Den- noch war auch er durch die Mitwirkung an Todes- urteilen als Beisitzer in die Tötungsverbrechen des Regimes verstrickt. Nach Kriegsende wurde Richard Schulze aus dem Justizdienst entlassen. Wenig später kam er in so- wjetische, später in deutsche Haft. 1947 erhielt er im Dresdner Juristenprozess ( a S. 287) eine Ge- fängnisstrafe von einem Jahr und zwei Monaten wegen »Verbrechens gegen die Menschlichkeit«. Richard Schulze hatte erklärt, an seinem Platz ge- blieben zu sein, um ihn nicht jüngeren und will­ fährigen Juristen zu überlassen. Auch die Richter gestanden ihm eine bewusste Distanzierung vom NS-Justizterror zu, hielten ihn aber wegen seines langen Wirkens in den beiden Strafsenaten für »kollektiv mitverantwortlich«. Nach Aufhebung dieses Urteils wenige Monate später kam es wegen der schweren Erkrankung Richard Schulzes und seiner Flucht nach Westdeutschland 1950 nicht mehr zu dem von den Justizbehörden angestreng- ten Revisionsverfahren. Erst 1962 stellte das Be- zirksgericht Dresden das Verfahren gegen Richard Schulze ein. Quellen BArchB, R 3001/75179 HStA Dresden: 11120 StA beim LG Dresden, Nr. 2499-1; ebd., Nr. 2499-2; ebd., Nr. 2502; ebd., Nr. 2503; ebd., Nr. 2504; ebd., Nr. 2505 Richard Schulze Foto, um 1936, BArchB, R 3001/75179, Bl. II

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