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70 1933–1945 vor Gericht Verbotene Beziehungen Das NS-Regime nahm weitgehenden Einfluss auf intime und freundschaftliche Beziehungen zwi- schen »deutschblütigen« Menschen und solchen, die als »rassisch« minderwertig galten. Bereits seit 1935 untersagte das sogenannte Blutschutzgesetz Liebes- und Ehebeziehungen zwischen Deutschen und Juden. Mit polizeilichen und juristischen Mitteln ging das Regime seit Kriegsbeginn ebenfalls gegen intime Kontakte zwischen Deutschen und Kriegsgefange- nen vor. Das Umgangsverbot mit Kriegsgefange- nen richtete sich nicht nur gegen Liebesverhält- nisse, sondern auch gegen freundschaftliche Kon- takte. Die völkisch-rassische Dimension zeigte sich in der unterschiedlich harten Sanktionierung der Verbotsüberschreitungen, je nachdem, ob es sich um einen westeuropäischen oder einen polnischen Kriegsgefangenen handelte. Da die überwiegende Mehrheit der polnischen Kriegsgefangenen bereits frühzeitig in den Zivil- status überführt wurde, unterstanden sie nicht mehr der Militärgerichtsbarkeit. Vielmehr galt für sie ebenso wie für polnische zivile Zwangsarbeiter und sogenannte Ostarbeiter ein polizeiliches Son- derrecht, für das es keine gesetzliche Grundlage gab. Die Polenerlasse vom März 1940 und die Ost- arbeitererlasse vom Februar 1942 sahen im Falle des Geschlechtsverkehrs mit einer deutschen Frau die Todesstrafe vor. Die Gestapo liquidierte die Betroffenen in der Regel ohne Gerichtsverfahren durch Erhängen. In den seltenen Fällen, in denen ein Sondergericht eingeschaltet wurde, wurden die polnischen Männer wegen »deutschfeindlichen Verhaltens« auf der Grundlage der Polenstraf- rechtsverordnung ( a S. 65) verfolgt. Den beteilig- ten deutschen Frauen drohte die Einweisung in ein Konzentrationslager. Ein Merkblatt »Wie verhalten wir uns gegenüber den Polen?« vom März 1940 diskreditierte die Beziehungen zu Juden und Polen als gleichermaßen verwerflich: »So wie es als größte Schande gilt, sich mit einem Juden einzu- lassen, so versündigt sich jeder Deutsche, der mit einem Polen oder einer Polin intime Beziehungen unterhält.« 44 Flankierend zur polizeilichen Verfolgung von deut- schen Frauen sind bis Herbst 1941 vor allem beim »Umgang« mit polnischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern lokal inszenierte demütigende An- prangerungsrituale überliefert. Den betroffenen Frauen wurden die Kopfhaare geschoren, anschlie- ßend wurden sie öffentlich zur Schau gestellt. Der- artige Aktionen sind ebenfalls für »Rasseschände- rinnen« überliefert. Während der intime Kontakt von Deutschen mit Polen, Russen und sonstigen »Ostarbeitern« ver- boten war, war er – aus Rücksicht auf die deut- schen Nachkriegsplanungen – mit Zwangsarbei- tern anderer Völker zulässig, aber »unerwünscht«. Quellen Herbert (1985), S. 79–82, 122–129 Schneider (2010), S. 182–218 Anmerkung 44 Merkblatt »Wie verhalten wir uns gegenüber den Polen?«, NSDAP-Stabsleitung, 15.3.1940, zit. nach: Herbert (1985), S. 80.

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