Katalog

14 1922 begann Ihre Schulzeit … Ich wurde zu Ostern 1922 noch vor meinem 6. Geburtstag in die Volksschule geschickt. Meinen Eltern gefielen jedoch die zweifelhaften pädagogischen Metho­ den dort, besonders die Prügelstrafe, nicht und so wurde ich in einer Privatschule bei Fräulein Riemer angemeldet. Meine Schwester Marianne hatte diese Schule mit großem Erfolg besucht und nun wurde mir auch ein sehr guter Unterricht zuteil, der mich auf das Realgymnasium vorbereitete. Ab 1926 besuchte ich das Realgymnasium in Elberfeld und erlebte die Auswir­ kungen der Weimarer Republik auf das Schulwesen. Die Lehrer bemühten sich, Demokraten zu sein und uns liberal zu erziehen. Es gab neben evangelischen und katholischen auch zwei jüdische Religionslehrer. Meinungsfreiheit galt als obers­ tes Gebot an der Schule. 1933 wurde schlagartig alles anders. Ich werde den tragi­ schen Moment nicht vergessen, als bei einer Schulfeier zum ersten Mal das Horst- Wessel-Lied angestimmt wurde und der allgemein geachtete Rektor zögernd und leicht zitternd den rechten Arm hochhob, worauf auch die letzten Nazigegner seinem Beispiel folgten. Seit dem Ereignis habe ich an der Schule mehr negative als positive Eindrücke empfangen, dazu trug die wachsende Machtstellung der Hitlerjugend bei. Vor 1933 kannten wir den Begriff Rassenunterschied nicht. Im Freundeskreis, in der Schule oder Tanzstunde waren christliche und jüdische junge Menschen fröh­ lich vereint, als plötzlich eine künstliche Trennung vollzogen wurde. Selbst liberal, ja antifaschistisch denkende Deutsche vermieden es, ihre jüdischen Freunde in der Öffentlichkeit zu begrüßen. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen. Im richtigen Moment, Ostern 1934, verließ ich das Realgymnasium, um mich auf das Studium des Bauwesens an der Höheren Technischen Lehranstalt und das anschlie­ ßende Studium der Architektur vorzubereiten. Dafür musste ich eine zweijährige Baustellenpraxis erbringen. Die Klasse im Realgymnasium, Leopold Wiel 2. Reihe, 1. v. r.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1