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41 Erker. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts kam es zu verschiedenen gestalteri­ schen Eingriffen in den Hausbestand, die auch das Platzbild veränderten. Nach einem Brand entstand das Rathaus an der Westseite als neugotischer Repräsenta­ tionsbau. 1905 mussten zwei Bürgerhäuser links der Hofapotheke demWarenhaus »Tietz« weichen. Dessen bald als zu prunkvoll empfundene Fassade im Stil der Neorenaissance wurde 1930 bereinigt und neoklassizistisch gestaltet, als das Gebäude zum »Kaufhaus Kröger« umgebaut wurde. 11 Die Kriegseinwirkungen im Februar 1945 hatten die nördliche Platzfront des Marktplatzes fast vollständig zerstört. Allein die traditionsreiche Hofapotheke war erhalten geblieben. Große Teile ihrer Fassade stürzten jedoch nachträglich ein, weil die benachbarten Gebäude schwer getroffen und ausgebrannt waren. Mit ersten Sicherungsarbeiten konnte das drohende Abstürzen des wertvollen Renaissance-Erkers verhindert werden. Der Bauzustand war jedoch bedrohlich. In Anbetracht dieser Lage begannen Wiel und Schwertfeger im Juli 1945, die noch erhaltene Originalsubstanz zu erfassen. Es entstand ein Bauaufmaß der Hofapotheke mit Grundrissen, Schnitten, Darstellungen der Fassadenteile sowie aller Baudetails, z. B. der historischen Fenster. Schon im Juni 1945 vermerkte das Weimarer Stadtbauamt, dass die sehr einge­ schränkten finanziellen und materiellen Möglichkeiten nicht ausreichten, auch die zerstörten Bürgerhäuser amMarkt wieder instandzusetzen. Es favorisierte deshalb eine einheitliche Neubebauung der gesamten Marktnordseite, bei der lediglich die historischen Baufluchten und Proportionen berücksichtigt werden sollten. Selbst das Wiederherstellen der historischen Fassaden vor neu entworfenen Grundrissen lehnte es ab. 12 Die erst viele Jahre später anerkannte Idee des städtebaulichen Denkmalschutzes vorwegnehmend, verfolgten Wiel und Schwertfeger genau die­ sen Ansatz, um dem Marktplatz entsprechend seiner städtebaulichen und kultu­ rellen Bedeutung die einstige stadträumliche Fassung und die verloren gegange­ nen Raumkanten wiederzugeben. Beauftragt von Walter Hoffmann, dem Eigen­ tümer der Apotheke, und dem Eigentümer des benachbarten Kaufhauses Kröger, reichten sie beim Stadtbauamt im Januar 1946 einen akribisch in Tusche gezeich­ Enttrümmerung am Weimarer Marktplatz, 1945 11 Siehe Mechthild Ebert/Lars Nuethen, Markt-Nordseite; in: Engelberg-Docˇkal/Vogel (Hg.), S. 241ff. und Hans Müller (Red.), S. 56 ff. und Felix Pietschmann, Die rekon­ struierte Nordseite des Wei­ marer Marktes; in: Neu­ markt-Kurier, 2/2015, S. 16 f. 12 Siehe Zustandsbericht über die Großschadenstelle Markt und die Neuplanung vom 15. Juni 1945, StadtAW 47 30 00/724.

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