Katalog

78 Dass ein einheitliches Maßsystem Voraussetzung für eine erfolgreiche Industria­ lisierung im Bauwesen sei und der Architekt lernen müsse, in der Maßordnung zu denken und von typisierten Einzelteilen Gebrauch zu machen, veranlasste Wiel 1955 unter Mitwirkung von Eberhard Deutschmann, das Buch »Baukonstruktionen unter Anwendung der Maßordnung im Hochbau« zu veröffentlichen. Anhand von zahlreichen Beispielen veranschaulichte er darin, wie mit der Maßordnung eine Ordnung des Baugefüges und damit eine Vereinfachung des Herstellungsverfah­ rens erreicht werden könne, die zur Senkung der Baukosten führe. 13 Von diesen Grundsätzen ausgehend, wies Wiel den Weg sowohl zu einer material- und arbeits­ zeitsparenden Bauweise als auch zur Vereinfachung der Entwurfsarbeit. Die Pla­ nung nach den neuen Aspekten sollte den einfachen Einbau von in Massen- und Serienfertigung hergestellten Bauteilen gewährleisten. Eine Vielzahl von Konstruk­ tionszeichnungen zur Anwendung der Maßordnung an Wänden, Öffnungen, Decken, Belägen, Dächern, Schornsteinen, Treppen, Fenstern, Türen, Installationen und Entwürfen einiger Wohnhaustypen ließen das Lehrbuch zum Grundlagenwerk für planende Architekten und Studenten werden. Das Buch fand in der Fachwelt ausdrücklich Zustimmung, 14 nicht nur bei Wiels Gleichgesinnten, wie Wickop – eine »wichtige, wohlgelungene, große Arbeit« 15 – oder Mittag, der in Hinblick auf den Architektennachwuchs notierte: »Die Maß­ ordnung wird erst dann voll zur Anwendung kommen, wenn sie dem Nachwuchs unserer Baubüros und Baustellen von vorn herein als eine Selbstverständlichkeit gelehrt wird.« 16 Auch Neufert zeigte sich beeindruckt, besonders weil »fast alle Zeichnungen von Studenten der ersten 4 Semester druckreif bearbeitet worden« 17 seien, und übernahm einige Beispiele in die 1961 erschienene Neuauflage seiner »Bauordnungslehre«. 18 Andere westdeutsche Architektenkollegen und ehemalige Weggefährten, wie Franz Hart, Walter Henn, Willem Bäumer, Sep Ruf und Leopold Sautter, mit denen sich Wiel fachlich so gut wie möglich über den »Eisernen Vor­ hang« hinweg austauschte, würdigten das Lehrbuch gleichfalls. Natürlich war das Interesse in der DDR am größten, binnen kurzer Zeit lag der »Wiel« als Standard­ werk auf dem Reißbrett zahlreicher Architekten und Planer. Der Ingenieur und Historiker Arthur Weichold bemerkte mit Blick auf die gerade erst überstandene Formalismus-Debatte: »Die Sache [hat] Hand und Fuß und steht meinem Ermessen 12 Siehe Leopold Wiel, Zur Entwicklung des Bauwesens. Ein Beitrag von Professor Wiel aus der Sicht des Hochschul­ lehrers unter Wiedergabe von Dokumenten; Wiel [1] 1984, S. 2–8. Das Referat Beschrän­ kung der Fertigteile durch Rastereinhaltung« wurde im Januar 1955 als Sonder­ druck veröffentlicht. 13 Siehe Wiel/Deutschmann, S. 10 ff. 14 Rezensionen erschienen in Fachzeitschriften der DDR, BRD, Sowjetunion, Schweiz, in Rumänien, Bulgarien, Österreich, Frankreich, Hol­ land und Schweden. 15 Dankesschreiben von Walther Wickop an Leopold Wiel vom 8. März 1955; in Wiel [1] 1984, S. 19. 16 Martin Mittag an Leopold Wiel am 11. März 1955; Archiv Prof. Wiel. 17 Ernst Neufert in einem Brief an Leopold Wiel, 14. März 1955; in Wiel [1] 1984, S. 17. 18 Siehe Neufert, S. 222 f. Die unterschiedliche Ansicht der Ingenieure und Architek­ ten zur Normung, Darstellung aus der Bauord­ nungslehre von Ernst Neufert

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