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Weitergehen nur noch sterben. Ich dachte, der Tod ist besser als das hier. Aber jetzt bin ich hier. Und wenn diese Leute mir helfen können, dann kann ich vielleicht weiterleben. Ich darf einfach nicht mehr an den Tod denken.« Alis Hände umklammern die Laufstangen, zwischen denen er steht. Auf seinen fremden, neuen Beinen. Er lässt nur sein Gesicht fotografieren, seine Beine nicht. Er schämt sich. Er kämpft mit seiner Balance. Ein Italiener in Kabul Ali und der kleine Khyali sind Patienten des Orthopädiezentrums, das das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Kabul aufge- baut hat. 1988 ging es los, inzwischen sind sechs weitere orthopä- dische Zentren in anderen afghanischen Städten dazugekommen: Jalalabad, Mazar-i-Sharif, Faisabad, Herat, Gulbahar und Lashkar Gah. Die sieben Zentren beschäftigen mehr als 700 Angestellte. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle ehemalige Patienten. Allein das Zentrum in Kabul hat von 1988 bis heute fast 70000 Patienten betreut. Viele sind Dauerpatienten. Sie kommen wieder, wenn sie eine neue Prothese brauchen oder wenn sie Schmerzen haben. Insgesamt kümmert sich das orthopädische Programm des IKRK um rund 145000 Menschen in Afghanistan. Das Orthopädie- programm ist bekannt. Im Durchschnitt kommen jedes Jahr rund 8000 Patienten hinzu. Mal aus Eigeninitiative der Familie, mal mit der Überweisung eines Arztes. Plötzlich kommt Bewegung in die Physiotherapiestunde unter frei- em Himmel – in Gestalt von Alberto Cairo, der im weißen Arztkittel und im Laufschritt unterwegs ist. Der hagere, großgewachsene Phy- siotherapeut mit dem gepflegten Kinnbart und der schwarz gerahm- ten Brille spricht die Landessprache Dari fließend und bringt die Patienten schnell zum Lachen. Alberto Cairo macht Ali und Khyali Mut. Er kitzelt sie, hält ihre Hand, erklärt ihnen ihre Schmerzen. »Ich habe aufgehört, traurig zu sein, wenn ein neuer Patient ohne Beine Der 25-jährige Ahmad Sha im Minenfeld. Etwa 30 Menschen werden in Afghanistan jeden Monat durch Landminen und nicht explodierten Kriegsschrott getötet oder verstümmelt. 51

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