Katalog
R.s Verwundung und Amputation wurden zu Episoden in einer Lebensgeschichte, deren weiterer Hergang sich als männliche Muster- biografie der westdeutschen Nachkriegszeit liest: Im Herbst 1942 heiratete R., und seine Ehe bestand bis zu seinem Tod. Im Januar 1943 wurde er aus dem Kriegsdienst entlas- sen. 5 1944 wurde er Vater. Nach dem Krieg übte er zunächst verschiedene Tätigkeiten aus, arbeitete unter anderem bei einer Land- maschinenfirma. 1948 ging sein Berufs- wunsch in Erfüllung: Am Tag der Währungs- reform – der in der Familienerinnerung einen wichtigen Platz einnahm, weil er im persön- lichen wie im kollektiven Gedächtnis einen Wendepunkt von der Mangel- zur Wohl- standsgesellschaft markierte – erfolgte sei- ne Verbeamtung als Lehrer. Von nun an un- terrichtete R. im Winterhalbjahr an einer Landwirtschaftsschule, während er im Som- mer als Berater von bäuerlichen Betrieben tätig war. 6 Nur bei wenigen Objekten aus dem Mu- seumsbestand ist der Kontext so gut doku- mentiert wie bei dem Kunstarm von R. Von etlichen Trägern sind lediglich die Lebens- daten bekannt. Mitunter ist überliefert, wo, wann und wie sie verwundet wurden. Manchmal lassen sich auch wichtige Statio- nen ihres weiteren Lebensweges nachzeich- nen. Über den Umgang mit den Prothesen kann hingegen zumeist nur spekuliert wer- den – oder er lässt sich aus den Objekten selbst erschließen. Der Koffer, S. 78 Die Prothese mit Ring und Haken, die R. nutzte, gehörte zu den sogenannten Funk tionsprothesen. Ärzte und Ingenieure hatten sie schon während des Ersten Weltkriegs entwickelt, um Versehrte zur Arbeit in Land- wirtschaft, Industrie und Handwerk zu befä- higen. 7 Arbeitsansätze sind jeweils nur einer einzigen Gebrauchsstellung der Hand nach- gebildet. So konnte R. am Gewinde einen Ring befestigen, der den Faustschluss nach- ahmt, oder einen Haken, der den Tragegriff Abb. 16 Unterarmschmuckprothese November 1974 (?) (Inv.-Nr. 2003/641) Abb. 17 Heftpflaster zum Schutz der Kleidung 76
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