Katalog

   überliefert sind, zeichnet seine Sammlung schwerpunktmäßig die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach. Bis zum heutigen Tag ist Klaus Dittmer dem Museum eng verbunden, indem er die Inventarisierung der Prothetik-Sammlung mit seinem fachli- chen Wissen maßgeblich unterstützt sowie weitere Prothesen zur Ergänzung akquiriert. Darüber hinaus konnten seit den 1990er Jahren im Rahmen von wissenschaftlichen Recherchen zahlreicher Ausstellungsprojekte des Museums gezielt Schlüsselobjekte eingeworben bzw. angekauft werden. Thematisch und zeitlich sind die Ausstellungen des Muse- ums eng mit den wissenschaftlichen Debatten und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Gegenwart verbunden. Dies spiegeln die von den Ausstellungen in den Museumsbestand übernommenen Objekte. In der Mehrzahl handelt es sich um Implantate (Musterpro- dukte oder Prototypen), die mit der Entwicklung von Technik, die unter die Haut geht, verbunden sind. Zudem haben immer wieder Einzelpersonen dem Museum Prothetik-Dinge im Verbund mit bio- grafischen Daten, Dokumenten und Fotografien anvertraut. Diese Erwerbungen sind durch ihren biografischen Gehalt von besonderem Wert, denn sie ermöglichen das Nachzeichnen von Lebensverläufen. Schließlich wurden von Seiten der Abteilung Sammlung in jüngster Zeit gezielt aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der technischen Körpermodifikation beobachtet und auf dieser Grundlage Referenz- objekte der Jetztzeit zur Ergänzung und Erweiterung der Sammlung ausgewählt. In der Summe offeriert der Bestand mit seinen thematischen und zeitlichen Ausrichtungen interessante neue Möglichkeiten für (körper-) historische Untersuchungen. Diese Prothetik-Sammlung gibt Auskunft zu einem Zeitraum, der bisher verhältnismäßig wenig Beachtung fand: die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart. Forschung mit und an den Objekten gehört zu den Kernaufgaben des Museums. Daher fiel es im Rahmen des Verbundprojekts An- thropofakte dem in Dresden angesiedelten Teilprojekt Schnittstelle Mensch. Artefakte zur Prothetik im Deutschen Hygiene-Museum schwerpunktmäßig zu, sich dieser Spezialsammlung intensiv und anhand von körperhistorischen Perspektiven zu widmen. Prothesen sind sperrige Artefakte. Sie irritieren und verstören, weil sie mit von der Norm abweichenden, defizitären Körpern verbunden sind. Assoziiert werden Leid- und Verlusterfahrungen von Menschen. Die Betrachter_innen werden mit der Verletzlichkeit, auch des eige- nen Körpers, und der Mangelhaftigkeit menschlichen Seins über- haupt konfrontiert. Prothesen bieten aber zugleich viel Potenzial, um eine Geschichte des Körpers zu rekonstruieren. Mit dieser Überzeugung und motiviert durch das aktuelle Interesse an Dingen und damit an materieller Kultur in der Forschung 4 startete das dreijährige Erschließungspro- jekt im Sommer 2013. Die zentralen Fragen lauteten: Was machen Menschen mit Prothesen? Was machen Prothesen mit Menschen? Welche Ideen vom Körper und seinen Gestaltungsmöglichkeiten DAS FORSCHUNGS­ PROJEKT 10

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