Katalog
91 Flüchtigkeit dominanter Faltwerkschnitzerei mit Pfeilen, Flöten und Drehstäben verziert. Die Seiten weisen ein blumenartiges Ornament auf, das als Folge späterer Umarbeitungen nun teilweise verdeckt ist. Schranktüren und Schubkasten, auf demunter dembraunen Anstrich die Ziffer »10« aufscheint, sind mit herzförmigen Griffen geschmückt. Nach einer dendrochronologischen Untersuchung kann als frühest- mögliches Herstellungsdatum des Schrankes ein Zeitraum zwischen 1507 und 1509 angenommen werden. Sein Schmuckdekor legt zudem die Vermutung nahe, dass der Schrank ursprünglich wohl nicht für eine Nutzung in der Kirche bestimmt war. Neben den Schnitzereien bestimmen die aufwendigen Sicherheitsvorrichtungen Erscheinungsbild und Funktion des Schrankes. So sind am rechten Fries vier originale Schließbleche mit Drehstab und Rosette angebracht, zwei Ringschrauben aus Eisen dienten einer ursprünglichen Ver- riegelung. Türen und Schubkasten zeigen zudem Spuren älterer Schlösser, die später durchmoderne Kastenschlösser ersetzt wurden. Das Schubladenfach verdeckt den Zugang zu zwei Geheimfächern, deren Öffnungen (jeweils 12,5 × 23,4 cm) von passgenau eingesetzten Holzbrettern ver- schlossen werden. Die beiden Geheimfächer nehmen an den Seiten jeweils die gesamte Tiefe des Schrankes ein. Aufschluss über die Nutzung des Schrankes als sicheren Verwahrort für liturgische Gefäße geben zwei Verwen- dungsvermerke in teilweise verwischter Kreideschrift, die sich auf der Innenseite der oberen Schranktür befinden. Während der eine mit Datum »25 oct. ao. 70« auf »einen kleinen Kelch« verweist, verzeichnet eine zweite, jüngere Eintragung »5 Calices / Brachium S. Blasii« (5 Kelche / Arm des heiligen Blasius). Angela Klein, Gaby Kuper Lit.: Langner 2005 Mehr als ein Luftkuss 7 Kusstafel Agnus Dei Braunschweig, um 1450 Silber, Glas, Stoff, Pergament, Holz, H 24,4 cm, Dm 10,5 cm Braunschweig, Städtisches Museum Braunschweig, 11/1/50 Die Kusstafel bzw. Pacificale diente zur Weitergabe des Frie- densgrußes in der heiligen Messe durch den Priester an die Gläubigen. Die Weitergabe fand statt, indem der Priester erst den Altar und dann die Tafel küsste, die den Gläubigen zum Kuss gereicht wurde. Ihre Verwendung war vom 13. bis
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