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394 Konfession geformt und gebrannt konfessionelle Umwälzung in Mitteldeutschland am Über- gang vomSpätmittelalter zur Frühen Neuzeit anhand über- kommener Ofenteile in Form von Reliefkacheln erfassen. Um 1500 zeigten typische Nischenkacheln noch vornehm- lich katholische Heilige in spätgotischer Manier. Hingegen manifestierten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts auf mo­ dernen Blattkacheln Renaissanceformen und der religiöse Bilderkreis war oft protestantisch geprägt. Dessen Ursprünge dürften im mitteldeutschen Raum liegen, aus dem sich die Kachelmotive in die reformierten GebieteMitteleuropas verbreiteten. Neben antikatholischer Bildpropaganda (Kat.-Nr. 227 f) und Porträts von Reformatoren (Kat.-Nr. 227 c) liefern auch solche von Herrschern (Kat.-Nr. 227b), die dem neuen Glauben zugeneigt waren, Hinweise auf ein dementsprechendes Bildprogramm des Kachelofens. Glei- ches gilt für katechetische Kacheln zumDekalog, Glaubens- bekenntnis und Vaterunser, die den evangelischen Gesetz- und-Gnade-Topos (Kat.-Nr. 227 e), aber auch antipäpstliche Motivdetails umfassen. Ferner stammen die überlieferten Vorlagen der Kachelreliefs von Künstlern, dieMartin Luther bzw. seiner Lehre nahestanden, wie etwa von Lucas Cranach d. Ä. Luthers Fokus auf die Heilige Schrift und die von ihm befürwortete Bilddidaktik unterstützten außerdemKacheln mit Sprüchen, zumBeispiel Seligpreisungen, und Personen sowie figürlichen Szenen aus dem Alten und Neuen Testa- ment (Kat.-Nr. 227d und 227 a). Wenngleich solche Kachel- motive nicht zwangsläufig in einem lutherisch geprägten Umfeld entstanden sein mögen, vermitteln sie dennoch allgemeingültige christliche Werte. Schließlich zeugt ihre gängige Kombination mit Allegorien aus dem humanisti- schenMotivkreis wie den Tugenden oder den Sieben Freien Künsten von einem modernen und selbstbewusst gewähl- ten Bildprogramm für den heimischen Kachelofen. Martina Wegner Lit.: Busch 2012, S.305–313; Hallenkamp-Lumpe 2007, S.323–343; Starke 1983; Wegner [in Vorb.] 227a 227a–f Ofenkacheln und Ofenkachel- fragmente aus Stadtgrabungen in Braunschweig Region Braunschweig, 16.Jahrhundert Irdenware, grüne bzw. polychrome Bleioxidglasur, fragmentiert, diverse Maße Braunschweig, Braunschweigisches Landesmuseum, diverse Inv.-Nr. Im 16. Jahrhundert diente der Kachelofen nicht nur als deko- ratives Heizmöbel, sondern mit reicher Bebilderung auch als persönliches Statement des Ofenbesitzers. Die Motive orientierten sich an zeitgenössischer Druckgrafik und somit an aktuellen, nicht zuletzt auch religiös-politischen Strömungen. Mit ihnen identifizierteman sich nicht nur in geistlichemoder herrschaftlichemUmfeld, sondern immer häufiger in bürgerlichenWohnstuben. So lässt sich auch die

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