Katalog

18 Stefan Dornheim Kindheit Der Prinz wuchs unter strengem Hofprotokoll und einer betont katholischen Erziehung heran und erlebte mit seinen Geschwistern im Stadtpalais der Sekundogenitur nahe der Dresdner Bürgerwiese und in der königlichen Sommervilla in Dresden-Hosterwitz bei Pillnitz eine behütete Kindheit. Neben der Mutter wirkten die Kin­ derfrauen Laura von Elterlein, genannt »Eina«, für die Prinzen und Freiherrin Therese von Hausen für die Prinzessinnen. Nachdem die Mutter 1884 früh an Typhus verstarb, übernahm die kinderlos gebliebene Tante, Königin Carola (1833–1907), mit viel persönli­ chem Einsatz die mütterliche Fürsorge. Der tragische Verlust scheint die Kinder tief geprägt zu haben. Der Witwer, Prinz Georg, zog sich zunehmend in die Einsamkeit zurück. Es folgten nun jährlich län­ gere Ferienaufenthalte mit demVater an der Ostsee, bei den Hohen­ zollern in Sigmaringen, auf bayerischen Schlössern der wittelsbachi­ schen Verwandtschaft oder auch Reisen in die Schweiz, welche der Familie Aufheiterung und Ablenkung bieten sollten. Fortan sollte kaum ein Jahr mehr ohne größere Reisen vergehen. Daneben wurde Johann Georg, genannt »Hans«, zusammen mit seinem um ein Jahr jüngeren Bruder Max von den Privatlehrern Major Ernst Freiherr von Oer (1845–1925), Hofprediger Ludwig Wahl (1831–1905) und durch den Hofkaplan, Theologen und Ge­ schichtslehrer Dr. Adolf Fritzen (1838–1919) unterrichtet. Die Woche strukturierte in der Regel ein abwechslungsreicher Tagesplan: Nach dem Aufstehen ging es 7.30 Uhr zur Messe, gefolgt von einem Ausritt vor dem Frühstück. Dem folgten der Schulunterricht und ab 15.30 Uhr das Mittagessen mit der Familie, schließlich Spiele und Spaziergänge in der Natur, im Winter ersetzt durch Übungen im Tanzen und Turnen. An freien Tagen unter­ nahmen die Lehrer mit ihren Zöglingen wiederholt kürzere oder längere Wanderungen in der näheren und weiteren Umgebung, etwa in der Sächsischen Schweiz oder durch das Müglitztal zum Schloss Weesenstein. Anlässlich der Hochzeit ihrer Schwester Maria Josepha mit dem Erzherzog von Österreich absolvierten die jungen Prinzen Johann Georg und Max 1886 ihren ersten Hofball und damit ihr Entrée in die Gesellschaft. Zu den Lehrern Oer, dem späteren Benediktinerpater Sebastian im Kloster Beuron, und Wahl, dem späteren Bischof und Apostolischen Vikar in Sachsen, und zu Fritzen, dem späteren Bischof von Straßburg, unterhielten die beiden Brüder eine dauerhafte Verbindung. Studienzeit Nach dem Besuch des Gymnasialunterrichtes in der sogenannten Prinzenschule, für die im Sekundogenitur-Palais ein eigenes Schulzimmer eingerichtet und ausgewählte Fachleh­ rer aus den Dresdner Schulen berufen worden waren, legten die Brüder Johann Georg und Max zusammen das Abitur ab und begannen 1889 das geforderte Studium der Staats- und Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau und in Leipzig. Die privaten Freiburger Vor­ lesungen des reformorientierten Theologen, Dante-Experten, Kunsthistorikers und Mit­ Kinderbildnis Prinz Johann Georgs von Sachsen, Fotografie, um 1873

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