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68 Alexander Hänel Als Bruder des sächsischen Königs war es Prinz Johann Georg unmöglich, vollkommen privat zu reisen. Obwohl er und seine Frau inkognito unter dem Namen Graf und Gräfin von Weesenstein reisten – ein Pseudonym, welches schon König Johann auf seinen Reisen verwendet hatte –, mussten aus diplomatischen Gründen die deutschen Botschaften und Generalkonsulate von den prinzlichen Reisevorhaben in Kenntnis gesetzt werden. Auch die Pässe enthielten neben dem Inkognito die richtige Identität. Das hatte zur Folge, dass er bei seinen Ankünften oftmals von Vertretern des Staates oder der Kirche offiziell begrüßt wurde, aber auch selbst diplomatischen Verpflichtungen nachzukommen hatte. Das Inkog­ nito war also eine reine Formalität, um deutlich zu machen, dass es sich nicht um offizielle Staatsbesuche handelte. Dass es dabei schnell zu Missverständnissen kommen konnte, musste der Prinz leidlich erfahren. Als Johann Georg in Jerusalem weilte, vermied er einen Besuch des 1898 von Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) und seiner Frau gestifteten Kaiserin-Auguste-Victoria-Hospitals auf dem Ölberg. Über diese Tatsache war der Kaiser so erbost, dass er eine Erklärung forderte. Prinz Johann Georg blieb nichts anderes übrig, als sich zu entschuldigen. Er führte aus, dass er wegen seines Inkognitos als katholischer Wallfahrer glaubte, nur zum Besuch von katholischen Einrichtungen verpflichtet gewesen zu sein. Doch profitierte Johann Georg auch vielfach von seinem Status. So erlaubte ihm der Sultan 1910 den Zutritt zur Abrahamsmoschee in Hebron, die Christen normalerweise verschlos­ sen bleibt, und in Jerusalem durfte er die ansonsten hermetisch abgeschlossene Bibliothek des armenischen Patriarchen besichtigen und einzelne Bücher fotografieren. Die Expeditionen des Prinzen waren auch keine reinen Luxusreisen. Zwar reisten er und seine Begleiter, wenn möglich, mit dem Zug oder dem Schiff, doch oftmals mussten lange Strecken über Land auf Pferden, Kamelen, Eseln oder zu Fuß bewältigt werden, um zu den abgelegenen Klöstern und Ruinenstätten zu gelangen. Außerhalb von Städten und in der Wüste wurde in Zeltlagern übernachtet; nur in Ausnahmefällen, etwa bei Regen, übernachtete man in Privathäusern. Die Lagerplätze wurden von vorausreitenden Eskorten ausgekundschaftet. Dass diese Reisen nicht ganz ungefährlich waren, mussten Johann Georg und seine Gruppe in Syrien erfahren. Aufgebrachte Dorfbewohner waren wegen eines unbedeutenden Vorfalls mit Gewehren bewaffnet in das Lager des Prinzen eingedrun­ gen. Dabei kam es zu einem blutigen Handgemenge mit den einheimischen Reisebeglei­ Prinz Johann Georg auf einem Kamel in der Wüste Sinai, Fotografie, 21.10.1910 Zeltlager des Prinzen, Syrien, Foto: Prinz Johann Georg von Sachsen, 21.11.1910

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