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227 »Homoeroten« und Militär – das war und ist ein schwieriges Verhältnis. Die längste Zeit waren offen gleichgeschlechtlich begehrende Männer (und Frauen) von der Truppe ausgeschlossen, nicht nur in Deutschland. Und die »VerführerInnen« von Militärangehörigen mussten ihrerseits mit Strafen rechnen. Doch das hat den Reiz von Uniformierten absolut nicht gemindert. Karl Franz von Leexow schrieb 1908 in »Armee und Homosexualität«, »daß jene Männer, die mit dieser Leidenschaft behaftet sind, sich diejenigen Männer aussuchen, die ihnen die Verkörperung der Stärke und Vollkommenheit zu sein scheinen«. 1 Und das waren vor allem Soldaten und Offiziere. Sie waren »mit dem Phantasma verknüpft, in jeglicher Hinsicht die Führung übernehmen zu können«, wobei die Uniform »den Träger als Alphamännchen aus[weist], als Fleisch gewordene Phantasie des virilen Mannes«. 2 Claus Matthes, langjähriger Kurator des Pornfilmfestivals Berlin, ergänzt: »Die Themen Unterwerfung und Dominanz haben mit menschlicher Sexualität im All- gemeinen zu tun. Beim Militär- bzw. Uniformfetisch geht es um den Wunsch, sich durch Zwang hingeben zu müssen. Kontrollverlust bzw. Kontrollabgabe sind zentrale Bestandteile im BDSM-Bereich.« 3 Von Leexow zitiert den »Herrn Kriegsminister«, der erzählte, »daß die Soldaten sich kaum vor den Bestürmungen der Homoeroten retten könnten«. 4 Leexow weist darauf hin, dass solche Bestürmungen den Militärangehörigen nicht zwangsläufig zuwider waren: »Der Ge schlechtstrieb des Soldaten aber drängt[;] in einer Kaserne, wo so viele junge Leute zusammen- wohnen, ist die Verführung leicht, und der Mann aus dem Volke denkt nicht darüber nach, daß er sogenannte Unzucht betreibt[;] die Empfindung ist angenehm– voilà tout. Wenn er später mit einem Homogenen zusammentrifft, der ihm noch Geld dafür gibt, ist er herzlich froh.« 5 Solchen positiven Schilderungen stehen Geschichten gegenüber, die von »Folter, Vergewalti- gungen und sadistische Quälereien« erzählen, wie Stefan Gose im Essay »Männlichkeit, Militär undVergewaltigung« schrieb. 6 Bemerkenswerterweise sind es vor allem diese Gewaltszenarios, die im Bereich des Schwulenpornos als besonderer Fetisch aufgegriffen wurden. Dabei fällt auf, dass die Erniedrigungssituationen der Schwulen von diesen selbst (als Charaktere im Film) auf den Kopf gestellt werden. Soll heißen: Aus der Erniedrigung durch einen vermeintlichen Alpha- mann in Uniform entsteht eine Neuinterpretation, die in die Befriedigung eigener Begierde kippt, wobei der »Täter« zum unfreiwilligen Lustspender und damit schlussendlich zum »Opfer« wird. Man kann das als schizophren bezeichnen. | 1 | Szene aus der »Abduction«- Trilogie (1991–1993) von Regis- seur Steven Scarborough mit Zak Spears in einer faschisti- schen Fantasieuniform bei der Inspektion seiner Sexsklaven (Abb. 1–3: Mit freundlicher Genehmigung von Falcon Stu- dios, www.falconstudios.com)
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