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38 B öhmes D e nke n Böhme verwendet häufig Beispiele aus der Natur, um dem Leser die Beziehung zwischen der sichtbaren Welt und der göttlichen Kraft, die diese geschaffen hat, zu erklären. Das gesamte Vorwort von »Aurora« ist einem solchen Vergleich gewidmet, wenn er schreibt: »Ich vergleiche die gantze Philoso- phiam , Astrologiam und Theologiam […] einem köst- lichen Baum, der in einem schönen Lustgarten wächst« (Aurora, Vorrede 1) (Abb. 1). In diesem Ver- gleich bedeutet »der Garten dieses Baums die Welt; der Acker die Natur; der Stamm des Baumes die Ster- nen; die Aeste die Elementa ; die Früchte, so auf dem Baume wachsen, bedeuten die Menschen; der Saft in dem Baume bedeutet die klare Gottheit« (Aurora, Vorrede 8). Die Präsenz Gottes in der Natur ist somit allgegenwärtig und durchströmt diese wie der Saft den Baum, den er lebendig hält. Böhmes Gott hat seine Schöpfung nach dem Erschaffen der Welt nie verlassen, sondern er wohnt ihr inne (Abb. 2). Gott ist in der Natur, und Böhme bezeichnet die Natur sogar als den »Leib Gottes«. Bei der Weiterentwicklung der Baum-Meta- pher wird offensichtlich, dass ein Kampf zwischen verschiedenen Kräften in der Natur stattfindet, denn alle Vorgänge der natürlichen Veränderung wie Wachstum und Vergehen sind Ergebnis einer Viel- zahl von Kräften, die stetig gegeneinander wirken. Dieser Gegensatz verursacht Spannungen, die Bewe- gung erzeugen und aus denen so Leben entsteht. Am Anfang von »Aurora« erwähnt Böhme nur zwei sol- cher Kräfte und bezeichnet sie als »Qualitäten«: eine gute und eine böse. Zusammen sind diese beiden Qualitäten die Quelle von allem, was existiert (Au- rora 2,2): Sie bewirken alle Bewegungen in der Natur, und aus diesem Grund müssen immer beide Kräfte in der Natur vorhanden sein, denn das Leben wäre nicht möglich, wenn jeweils nur eine Kraft existierte. Alle Geschöpfe, von Pflanzen über Tiere bis zum 2 »Silbernes Kreuz«, Höhe 16,5 cm, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden, Abteilung Museum für Mineralogie und Geologie, Inv.-Nr. Min 7657 Sa

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