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46 B öhmes D e nke n einer theologischen und auch einer moralischen Dimension. Die Interaktion auf diesen Ebenen ver- langt nach einer Erklärung. – Logisch: Wenn Fins- ternis zuerst existiert, bedeutet dies, dass Licht ledig- lich eine Ableitung von Finsternis ist? –Theologisch: Wenn Finsternis und Licht immer verbunden sind, sind sie auch beide im göttlichenWesen gegenwärtig? – Moralisch: Wenn Finsternis im Allgemeinen für ein breites Spektrumnegativer Mächte steht, bedeutet das, dass diese über die positiven Mächte herrschen und Licht nie vollständig den Sieg über die Dunkel- heit erringt? Um Antworten auf diese Fragen zu fin- den, müssen die verschiedenen Arten und Bedeutun- gen von Finsternis bei Böhme betrachtet werden. Zuallererst ist Finsternis der Name für die ne- gative Seite des Gegensatzes, welche für die Lebens- kraft in der Natur verantwortlich ist, und tatsächlich stellt Böhme fest: »Die Finsterniß ist der Grund der Natur« (Tabulae principiorum 27). Eine tiefe Verbin- dung von Natur und demGöttlichen voraussetzend, ist Finsternis nicht nur in erstem, sondern auch in letzterem → Natur . Anstatt auf Licht und Finsternis verweist Böhme auch auf »Ja« und »Nein« als zwei Kräfte, die sowohl in der Welt als auch imGöttlichen selbst wirken. Böhme erläutert: »Der Leser soll wis- sen, daß in Jah und Nein alle Dinge bestehen, es sey Göttlich, Teuflisch, Irdisch, oder was genant mag werden« (Quaestiones theosophicae 3,1). So enthält das Göttliche eine negative (nein) und eine positive (ja) Kraft – Finsternis und Licht, weil alles Leben aus diesem ewigen Gegensatz entsteht. Warum Finster- nis nicht nur entscheidend für das Leben ist, sondern auch der logische erste Schritt hierfür sein muss, liegt darin begründet, dass Licht nur durch den Kontrast zur anfänglichen Finsternis offenbart wird: »Die Finsterniß ist die gröste Feindschaft des Lichts, und ist doch die Ursach, daß das Licht offenbar wer- de. Denn so kein Schwartzes wäre, so möchte ihme das Weisse nicht offenbar seyn« (Mysterium mag- num 5,7). In der ursprünglichen Finsternis kann nichts offenbar werden, nichts existiert; doch dann wird diese undifferenzierte »Finsterniß eine Offen- barung des Lichts, aufdaß das Licht offenbar sey, welches in dem Einen nicht seyn könte« (Mysterium magnum 6,12) → Licht . Aus theologischer Sicht begründen »Nein« und »Ja«, was Böhme das erste und zweite Prinzip nennt. Wie die Finsternis in Bezug zu Licht, ist »das erste Principium […] eine Ursach Göttlicher Offen- barung« (Tabulae Principiorum 27). Deshalb nennt Böhme das erste Prinzip das Feuer, aus dem der Fun- ke des Lichts (zweites Prinzip) geboren wird. Es ist 7 Sieg der Erzengel über das Böse (Engelssturz), Neapel, 1. Hälfte 17. Jh., Elfenbein, Holz, Höhe 21,5 cm (mit Sockel), Grünes Gewölbe, Staatliche Kunst sammlungen Dresden, Inv.-Nr. II 132
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