Katalog
101 Pe t e r P l a ßme y e r D I E SONNE IM ZENT RUM? DER VERÄNDER T E B L I CK AUF D I E WE L T UM 1600 Als Jacob Böhme 1612 in Görlitz seine Erstlings- schrift »Aurora« verfasste, war die Welt, wie man sie sich seit Menschengedenken vorstellte, ins Wanken geraten. Neue Entdeckungen über die Erde und de- ren Platz im Universum stellten das von traditionel- len Bibelinterpretationen bestimmte Weltverständ- nis in Frage. Jacob Böhme bemühte sich in seinen Schriften um eine Neubestimmung kosmischer Vor- gänge und versuchte, den biblischen Schöpfungs gedanken mit dem neuen heliozentrischen Weltbild in Einklang zu bringen. Die zentrale Position der Sonne stellte eine wichtige Voraussetzung für seine Vorstellung von der göttlichen Schöpfung dar. 2 Böhme verglich Gott mit der Sonne und bezeichne- te nicht nur aufgrund der Wortähnlichkeit auch den »Sohn« Gottes als »Sonne«: Als das zweite Prinzip in der Gottheit verkörpert Christus, der »Sohn«, das »Licht«, die Grundlage jeden Lebens. DIE SONNE IST DAS HERTZE ALLER KREFFTE IN DIESER WELD / VND IST AUSS ALLEN KREFFTEN DER STERNEN ZU SAMMEN FIGURIERED / VND ERLEUCHTET HINWIDER- UMB ALLE STERNEN VND ALLE KREFFTE IN DIESER WELD / […] GLEICH WIE DER VATER SEINEN SOHN / DAS IST SEIN HERTZE ODER LICHT AUS ALLEN SEINEN KREFFTEN GEBÜRED / VND DAS SELBE LICHT / WELCHS DER SOHN IST / GEBÜRED DAS LEBEN IN ALLEN KREFFTEN DES VATERS / DAS IN DEM SELBEN LICHT IN DES VATERS KREFFTEN / AUFF GEHED / ALLERLEY GEWECHS ZIRHEIT VND FREUDEN. JACOB BÖHME, AURORA 1 1 Stefano della Bella, Titelkupfer mit Aristoteles, Ptolemäus und Kopernikus zu: Galileo Galilei, Dialogo, Florenz 1632, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Astron.244.s
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