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167 I r i s Yv o nn e Wa g n e r D I E HARMON I E DER GEGENSÄT ZE D I E KUNS T VON I T T EN, KAND I NSKY UND ARP IM SP I EGE L DER SCHR I F T EN BÖHME S Das Ende des 19. und der Beginn des 20. Jahrhun- derts sind von großen politischen und wirtschaftli- chen Veränderungen gekennzeichnet. Von 1914 bis 1918 erschüttert der Erste Weltkrieg Europa, den Nahen Osten, Afrika und Ostasien. Er endet mit dem Sturz der Monarchie im Deutschen Reich und der Gründung einer parlamentarischen Demokratie – der Weimarer Republik. Mit dem Ziel einer Erneue- rung der Gesellschaft formierten sich nach Kriegs- ende unterschiedliche Gruppen, beispielsweise in Wien 1918 ein »Bund der geistig Tätigen«, bestehend aus Literaten und Künstlern. Als eine Gegenbewegung zu Krieg, Gewalt und der Übermacht des Materiellen, die aus denMaterialschlachten des ErstenWeltkriegs resultierte, forderten sie eine ästhetisch-ethische Neuorientierung. Der Künstler ist als »Weiser, Seher, Gestalter« aufgerufen, in dieser Zeit seine Vision für eine neue Ordnung zu entwerfen. 1 Der Begriff des »Geistes« wird zu einer rettenden Instanz dieser Neuorientierung, um »die aus den Fugen geratene Welt wieder ein[zu]richten«. 2 Dies war einer von vielen Versuchen in dieser Epoche, die politische und soziale Realität durch Kunst zu verbessern. Die Grundlagen dieser neuen Kunst hat Was- sily Kandinsky bereits 1912 in seinem Werk »Über das Geistige in der Kunst« formuliert. 3 Der Titel ver- rät, dass der »Geist« ein zentraler Begriff für das Kunstverständnis wird. Diese Annahme teilt auch der in Dresden geborene Autor und Dramaturg Lothar Schreyer in seinem Aufsatz über die »Sturm- 1 Johannes Itten, Farbenkugel in sieben Lichtstufen und zwölf Tönen (Ausschnitt), 1921, Hochdruck, 460×322 mm, Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunst­ sammlungen Dresden, Inv.-Nr. A 2009-93

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