Katalog
10 durchaus machtpolitisch motivierten Wettbewerb der führenden Höfe Europas mit den Mitteln der Kunst. 5 So war Jacob Zeller, geboren in Essing nahe Regensburg, 6 aus dem kaiserlichen Prag 1610 nach Dresden gekom- men. Unter Johann Georg I. von Sachsen (reg. 1611– 1656) blieb ihm ein Dezennium für seine außergewöhn- liche Karriere als Elfenbeinkünstler beschieden. Wo er seine Ausbildung als grandioser Drechsler und Bild- schnitzer in Elfenbein erhielt, ob er in Italien oder an- dernorts Erfahrungen gesammelt hat, ist noch immer unbekannt. Zellers Affinität zu dekorativen Gestaltungs- elementen der Goldschmiede- und Juwelierkunst wird sinnfällig in seiner aus Elfenbein gearbeiteten Kette mit dem Bildnismedaillon Johann Georgs I., dem großen Förderer seiner Kunst ( u Kat.-Nr. 34). Das Elfenbein- porträt orientiert sich sowohl an graphischen Vorlagen ( u Kat.-Nr. 33) als auch an Medaillen und Anhänge- stücken aus Gold, in der Art des von Daniel Kellerthaler und Abraham Schwedler d. J. in Dresden gefertigten Exemplars ( u Kat.-Nr. 35). In Zellers atemberaubenden Kreationen, die zu den Meisterwerken der Elfenbeinsammlung des Grünen Ge- wölbes gehören, bleibt sichtbar, wie gekonnt er Inspi- rationen aus Skulptur, Malerei und Graphik höchst inno- vativ miteinander verwoben hat. 7 Noch wenige Wochen vor seinem Tod hatte er die mit unglaublicher Virtuosität geschaffene Elfenbeinfregatte als eine Apotheose auf die Herrscherdynastie der Wettiner vollendet, die seinen und des Kurfürsten Johann Georg I. Nachruhm sichern sollte (Abb. 1, 2). Zellers Fregatte in ihrem komplexen ikonographischen Programm könnte durchaus inspiriert worden sein durch die Statua Nabuchodonosoris , die so- genannte Zeitalter-Lehre (1602/1612) des ebenfalls als Hofkünstler in Dresden tätigen Giovanni Maria Nosseni. Obwohl sich das gedruckte und das aus Elfenbein ge- schnittene Werk nicht unmittelbar vergleichen lassen, so verbindet beide der Gedanke, dass Herrscherglück den Unwägbarkeiten der Zeitläufe und damit der »ver- genglichkeit aller zeitlichen ding und mannigfaltige verenderungen weltlicher Regiment« unterliegt: »Die- weil […] in dieser Welt nichts bestendig ist«. 8 Abb. 3 Elfenbeingefäß mit trunkenem Silenos, vielleicht Ferdinand Murmann, Fassung: Andreas I Wickert, Augsburg, zwischen 1635 und 1640, Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer, Inv.-Nr. KK 4519
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