Katalog
7 In ihrer kostbaren Materialität gehören Statuetten, Re- liefs und Gefäße aus Elfenbein zum facettenreichen Spektrum der Schatzkunst. Sie erzählen profane Ge- schichte in Porträts und Genreszenen, widmen sich an- tiken Mythen wie religiösen Stoffen und dokumentieren einstigen Besitzstand. In ihrer Multifunktionalität wie- derum sind sie auf besondere Weise Gemälden und Skulpturen in unterschiedlichen Formaten und Materia- lien ebenso wie graphischen Blättern, Zeichnungen, Medaillen und Schöpfungen der Porzellankunst sehr eng verbunden. Sie laden wie diese zu staunender Bewun- derung und intellektueller Konversation ein. 1 Virtuos gedrechseltes und figürlich geschnitztes Elfenbein ist untrennbar mit der Kunstkammer als hoch spezialisier- tem und zugleich universellem Sammlungsrefugium verbunden. 2 Seit den 1620er Jahren erlebte die Elfen- beinkunst, wiederbelebt durch kraftvolle Impulse nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts eine Blütezeit, die durch unabhängig arbeitende, von lokalen Besonderheiten geprägte Werk- stätten, vor allem aber durch die Tätigkeit von Hofkünst- lern maßgeblich bestimmt wurde. JUTTA KAPPEL »Die Künste selbst, so wie ihre Arten, sind untereinander verwandt, sie haben eine gewisse Neigung, sich zu vereinigen […].« Einführende Betrachtungen zur Ausstellung Künstler & Werk & Bildnis Die Besten unter den Elfenbeinkünstlern des Barock zeichneten sich durch ihre Mehrfachbegabungen aus. Sie waren Zeichner, versiert in unterschiedlichen Mate- rialien, hervorragende Steinbildhauer und/oder Bild- schnitzer in Holz, beherrschten überlebensgroße For- mate, konnten Kleinbronzen fertigen 3 und mit subtiler Präzision in Elfenbein schneiden. Ihre Lebensläufe, die teils fragmentarisch, teils noch nicht vollständig er- schlossen sind, lassen sich in ganz modernem Sinne als typisch europäisch beschreiben und schlossen in der Regel Schaffensjahre in Italien ein. 4 Die Berufung zum Hofkünstler galt als Privileg und erstrebenswertes Ziel. Dieser Status versprach materielle Sicherheit und Sess- haftigkeit, anspruchsvolle Aufträge und nicht zuletzt Ansehen und Ruhm. Mächtige Regenten haben zu allen Zeiten die Karrieren von Künstlern gelenkt, die über ein Höchstmaß an Begabung und Können verfügten und sich daher der fürstlichen Reputation als würdig erwie- sen. Die Konkurrenz der Hofkünstler untereinander, aber auch ihre Zusammenarbeit, wenn Auftrag und Auftrag- geber es verlangten, belebten und förderten einen
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