Katalog
16 Abb. 5 Veronese, »Anbetung der Könige« , Detail: Mantelschleppe und Page (Röntgenaufnahme) Abb. 4 Veronese, »Anbetung der Könige« , Detail: Gewänder der Maria Die Anbetung der Könige Die Anbetungsszene 22 hing mutmaßlich an erster Stelle im portego der Cuccina. Mit einem grandiosen Gespür für den Rhythmus einer Komposition – und mit viel malerischer Freude am Detail – platzierte Veronese die Heiligen Drei Könige in Anbetung des Jesuskindes auf einem schmalen bühnenartigen Streifen (Kat.-Nr. 1, Ausklapptafel I). Schon in Vero- neses Anfangszeit lässt sich dieser Ansatz feststel- len, den gemalten Bildraum unter architektonischen Gesichtspunkten zu begreifen. 23 Auch die Szenogra- fie des Cuccina-Zyklus weist durchgängig solch einen schmalen Vordergrundstreifen auf, dem Veronese durch Bauwerke Tiefe und Atem verlieh. Anders als in den frühen Gemälden besitzen seine dicht und bildparallel platzierten Protagonisten jetzt aber eine echte Dreidimensionalität, mit der sie sich ihren Um- raum wesentlich selbst erschaffen. Opulenz und Vielfalt der dargestellten Stoffe ste- chen insbesondere bei diesem Bild ins Auge, was eventuell auch als Anspielung auf die Profession der Auftraggeber alsWolltuchhändler gemeint sein könnte. Überaus haptisch ist der Goldbrokat des ältesten Kö- nigs gemalt (die grünen Ornamente sind heute ver- schwärzt), von hoher materieller Suggestion der schwere rote Mantel des mittleren Königs, mit kolo- ristischer Raffinesse das grün-violette Changieren im Gewand des dunkelhäutigen Königs (vgl. unten den Beitrag von Jutta Charlotte von Bloh). Ein Musterbei- spiel für Veroneses Kolorit sind die mit roten Lasuren ausgeführten lichten Höhungen auf dem Grün des Innenfutters von Marias Kleid (Abb. 4). Veronese verfuhr oft arbeitsökonomisch, insofern er einzelne Elemente seiner Kompositionen mehrfach in anderen Gemälden wiederholte oder zumindest variierte. 24 So setzte er beispielsweise für die unmit- telbar nach dem Cuccina-Zyklus für San Silvestro entstandene große, fast quadratische Königsanbe- tung eine ähnliche Lichtregie mittels des Bethlehe mitischen Sterns ein. 25 Auch findet sich hier der rote, mit sechseckigen Ornamenten gewebte Mantel des mittleren Königs wieder, vergleichbar ist zudem die Gestalt des ältesten Königs. Physiognomie und Man- tel dieses in Dresden in der Mitte angesiedelten Kö- nigs wiederholte Veronese auch in einer Anbetungs- szene, die 1573/74 für Santa Corona in Vicenza ent- stand (siehe Abb. S. 61). In Varianten taucht dieser Königstypus dann auch in einem um 1581/82 gemal- ten Kabinettstück auf (Sankt Petersburg, Ermitage) und in der um 1585 für die Scuola di San Fantin ent- standene Königsanbetung der Veronese-Werkstatt (Venedig, Ateneo Veneto). 26 Solch ein Transfer von Figuren setzt entsprechende Vorlagenzeichnungen voraus. Eine dieser Skizzen wurde als Vorstudie zum alten König der Cuccina- Fassung bewertet (Abb. 6). 27 Allerdings ergeben sich im Detailvergleich einige Unterschiede, so dass sie eher zu einer Königsanbetung in Chatsworth gehört (Abb. 7). 28 Die Divergenzen betreffen Haltung und Bart des Kopfes; zudem ist der Mittelfinger der linken Hand exakt neben dem Saum des mit Hermelin gefüt- terten Mantels platziert, während er in Dresden die Kante überschneidet. Mit der Aussonderung dieses Blatts aus den unmittelbaren Vorzeichnungen zum Cuccina-Zyklus reduziert sich das überlieferte Konvo- lut auf zwei Skizzen (Kat.-Nr. 5 und 6). Diese Draperiestudie macht deutlich, wie Vero- nese und seine Werkstatt Motive skizzierten, auf Leinwände malten und für andere Werke weiterent- wickelten. Natürlich nahm Veronese aber auch wäh- rend des eigentlichen Malprozesses Änderungen vor. Im Falle des alten Königs ließ er das Ende des Man- tels zunächst spitz auf dem Boden auslaufen (ähnlich wie in Chatsworth), bevor er sich dann entschied, den Stoff zu verlängern und somit optisch die beiden Bild- hälften zusammenzuführen (Abb. 5). Die Röntgenauf- nahme (Umschlagklappe vorne, Abb. II a) offenbart, wie er dem jungen Diener diesen schweren Mantel- stoff in die Hände gab. Die Hochzeit zu Kana Die »Hochzeit zu Kana« 29 gehört zur Gruppe der Gast- mähler, die Anfang der 1570er Jahre entstanden (Kat.- Nr. 2, Ausklapptafel II). Im Gegensatz zu den anderen Gastmählern ist das Bild aber nicht achsensymmet- risch komponiert, sondern besitzt sein Zentrum links, um durch die von rechts hereinlaufenden Diener ein Bewegungsmotiv zu gewinnen. Alle vier Cuccina- Gemälde weisen diese Aktionsrichtung auf, wodurch nicht zuletzt ganz konkret der Gang des Betrachters im portego geleitet worden sein dürfte, bis er vor der thronenden Madonna des Familienbildes angekom- men war. Im Falle der »Hochzeit zu Kana« entsteht dadurch eine Spannung zwischen der Betriebsamkeit der Feier und der unermesslichen Ruhe Christi. Der Sohn Gottes blickt unverwandt auf das Glas, das der Mundschenk mit ausgestrecktem Arm vor sich hält. Diese in Orange schillernde Gestalt zieht nicht nur die Blicke des Betrachters auf sich, sondern er selbst prüft mit erstaunten Augen den Inhalt des Glases. Es spricht für Veroneses Können, dass jeder Rezipient nun ebenfalls diesemWein seine ganze Aufmerksam- keit widmen muss.
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