Katalog

72 »… dies hätte man recht fleißig beobachten können…« Die Restaurierung des Cuccina-Zyklus von Veronese 2013 bis 2017 Marlies Giebe Annegret Fuhrmann Der Cuccina-Zyklus gehört seit über 270 Jahren zur Dresdner Gemäldegalerie und spiegelt damit auch die Geschichte der Sammlung wider. Mit dem großen Restaurierungsprojekt ist es jetzt erstmalig möglich geworden, den Zyklus als Ganzes intensiv zu unter­ suchen und alle vier Gemälde umfassend zu restau- rieren. Die Probleme der Bilder sind vermutlich so alt wie der Zyklus selbst und haben die Fachleute immer wieder beschäftigt. Zur Restaurierungsgeschichte 1746 bis 2013 Seit dem Ankauf des Cuccina-Zyklus für Dresden im Herbst 1746 finden sich in den Quellen wiederholt Hinweise auf den konservatorischen Zustand der vier großen Leinwandbilder und Bemerkungen zu Farb- veränderungen. Für die damals aus Modena kom- menden Gemälde wird generell berichtet, dass sie in Dresden von Galerieinspektor Johann Gottfried Rie- del und seinen Mitarbeitern »wieder zum Leben auf- erweckt worden [seien], aus all dem Schmutz und Firnis, mit dem sie bedeckt waren«. 1 Konkrete An­ gaben über den Zustand des Cuccina- Zyklus zu die- sem Zeitpunkt liegen nicht vor. Bereits in den 1750er Jahren kritisierte indes Carlo Cesare Giovannini diese Maßnahmen wiederholt in Schreiben an Heinrich Graf von Brühl: »Die großen Gemälde von Paolo Ve- ronese, einst in der Galleria d’Este, welche die kost- barsten Freuden sind, die man auf Erden sehen kann, waren in einigen Bereichen der Luft trocken [»a secco«] gemalt; dies hätte man recht fleißig beobach- ten können, bevor man sie mit Öl oder öligem Firnis tränkte, der das Gemälde [Die Madonna der Familie Cuccina] in den Bereichen hat schwarz und roh wer- den lassen, wo die Farbe trocken [»a secco«] verwen- det worden war.« 2 Wie Giovannini beklagt, soll Riedel die Bilder mit einem ölhaltigen Mittel, seinem gehei- men »Bilderarcanum«, überzogen haben, was sich insbesondere bei den Himmelspartien der großen Gemälde von Veronese so verheerend ausgewirkt hätte. 3 Die Wirkung von Riedels Methoden sind heute schwer einzuschätzen. Doch die Vorwürfe Giovanni- nis werden von nachfolgenden Generationen immer wieder zitiert. 1827, nach schwierigen Zeiten für die Gemälde­ galerie, führte der italienische Restaurator Pietro Palmaroli mit Mitarbeitern in Dresden nachweislich an der »Hochzeit zu Kana« und der »Madonna der Familie Cuccina« Kleisterdoublierungen aus, 1837 folgte »Die Anbetung der Könige«. Ein fragmentarisch erhaltener Aufkleber dokumentiert diese Bearbei- tung: »Rentoilirt durch Horack und Preuß. Von meh- reren alten Restaurationen befreit, – sowie von meh- reren Asphaltflecken gereinigt, an einigen beschädig- ten Stellen hergestellt und neu gefirnisst [...]«. 4 20 Jahre später hielten die Mitglieder der Galerie- kommission, die auch über Restaurierungen zu ent- scheiden hatten, erneut umfangreiche Bearbeitun- gen an den Bildern Veroneses für nötig, »wegen ihres schmutzigen und gedunkelten Erscheinungsbildes«. Die Kommission entschied sich für abdeckende Über- malungen. 1855/56 wurde der Restaurator Carl Mar- tin Schirmer mit der »Wiederherstellung der Luft« an der »Madonna der Familie Cuccina« beauftragt. Auch die Entscheidung, danach den Himmel der »Kreuztra- gung« zu übermalen, wurde intensiv diskutiert, wie die Quellen belegen. 5 Der damalige Galeriedirektor Julius Schnorr von Carolsfeld zog Experten hinzu, und man erkannte richtig, dass die verbräunte Schicht in einem »unglücklich gewählten Bindemittel« Vero­ neses zu suchen sei. In seinem Tagebuch notierte er dazu: »Schirmer hat an dem Bilde von P. Veronese (Kreuztragung) die Luft bereits übermalt und mit sehr viel Glück und Geschick und Erfolg. Der Ton ist vor- trefflich. Schirmer hat den alten Ton an einigen Stel- len zwischen Baumblättern, wo Paul nicht hingekom- men ist mit seiner verdammten Schmiere [...] aufge- funden und nach diesem feinen Ton gestimmt, der dem Bilde außerordentlich gut thut. Die Köpfe und Gruppen auf der rechten Seite des Bildes heben sich vortrefflich los [...]« (Abb 1). 6

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1