Katalog
13 Tizian, Tintoretto und Veronese bilden das großartige Dreigestirn der venezianischen Malerei des 16. Jahr- hunderts. Veronese ist der Jüngste der drei, geboren 1528 in Verona. 1555 siedelte er nach Venedig über, wo am Anfang die Deckengemälde stehen, die er für die Räume des Consiglio dei Dieci (Rat der Zehn) im Dogenpalast schuf (vgl. Abb. S. 56). 1 Auch begann er sogleich mit den ersten Arbeiten für die Kirche San Sebastiano, deren Ausstattung ihn sein Leben lang beschäftigen sollte (Abb. 1). 2 Neben den sakralen Ausstattungsstücken und Historiengemälden wurde Veronese ein gefragter Porträtist der Serenissima (Kat.-Nr. 10 und 11). Maßgeblich zum Ruhm des Künst- lers trugen die cene bei, figurenreiche und mit unzäh- ligen Nebenszenen ausgeschmückte Gastmähler zu biblischen Themen wie beispielsweise die 67 Qua dratmeter große »Hochzeit zu Kana« im Refekto rium von San Giorgio Maggiore (Abb. 2). 3 Anfang der 1570er Jahre schuf Veronese vier weitere Gastmähler auf bis zu 13 Meter breiten Leinwänden. 4 Zu den Hauptwerken dieser Zeit, in der Veronese souverän die ganze Palette seines künstlerischen Könnens ein- setzte, gehört der Cuccina-Zyklus, der mit der »Hoch- zeit zu Kana« ebenfalls ein Gastmahl aufweist. Zum Cuccina-Zyklus hat sich kein Auftrag über liefert (Kat.-Nr. 1–4). Er wird auf circa 1571 datiert, denn bei dem Jungen, der in der »Madonna der Fami- lie Cuccina« (Ausklapptafel IV) ganz rechts von der Amme ins Bild getragen wird, handelt es sich um Zuan’ Battista Pasqualin, der am 14. Januar 1571 ge- tauft wurde. 5 Mitunter wurde in der Forschung auch der rechts kniende Antonio Cuccina zur Datierung herangezogen. Da er von den Personifikationen des Glaubens (Weiß) und der Liebe (Rot) umsorgt wird, galt sein krankheitsbedingter Tod am 18. August 1572 als spätmöglichster Zeitpunkt für die Ausführung des Gemäldes. 6 Allerdings wurde auch umgekehrt ar gumentiert, dass diese Konstellation das Ableben Antonios voraussetze. 7 Da aber die drei christlichen Tugenden auch andere Familienmitglieder im Bild begleiten, scheint ihre Einfügung nicht mit einer Er- krankung beziehungsweise dem Tod Antonios – oder seines zeitgleich verstorbenen Neffen Andrea – in Zusammenhang zu stehen. Es ist ein Glücksfall, dass sich dieser vierteilige Zyklus komplett in einer Sammlung erhalten hat. Es ist der wohl größte private Auftrag Veroneses. Die Cuccina stammten ursprünglich aus Bergamo und zählten somit nicht zum alteingesessenen venezia nischen Patriziat (siehe den Beitrag von Christine Follmann). 8 Vielmehr gehörten sie zu den cittadini , genauer zu den cittadini »de intus et extra«, die auf- grund ihrer Vermögenshöhe Steuern zahlten und unter venezianischer Flagge weltweit Handel betrei- ben durften. 9 Die Beauftragung von Veronese als einem Künstler, der vor allem für das Patriziat arbei- tete, muss als Teil des Versuchs der Cuccina gewertet werden, sich den nobili so weit wie möglich anzu nähern. Der Cuccina-Zyklus von Veronese Exzellenz, Prestige und Devotion Andreas Henning Abb. 1 Veronese, »Madonna in der Glorie mit dem heiligen Sebastian und weiteren Heiligen«, 1559/61, Öl auf Leinwand, 420 × 230 cm, Venedig, San Sebastiano Veronese, »Kreuztragung«, Ausschnitt
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