Katalog

10 Pioniere der Einfachheit Im 19. Jahrhundert entspann sich ein Streit um das Für und Wider des Kunsthandwerks, der auf verschiedenen Ebenen geführt wurde. Durch die schier unbegrenzten Möglichkeiten der neuen Technologien und Materialien geriet das Handwerk in eine dauerhafte Krise. Die mühe- lose Serienproduktion zerbrach das alte Verhältnis zwi- schen Wert und aufwendiger Herstellung eines Gegen- stands. Es entstanden einerseits Lohnarbeit mit Entfrem- dung bei der Herstellung und andererseits ein bisher in diesem Maße unbekanntes Gewinndenken bei Produk­ tion und Distribution. Für die Kunstindustrie bedeutete dies schnelle und billige Herstellung von Gütern. Luxuriös erscheinende Produkte wurden zu Bestsellern. Dabei tra- ten Dekorationen und Formfindungen zutage, welche durch die neuen Herstellungsweisen völlig sinnentleert, verformt, ja eine Karikatur ihrer selbst wurden. Das Kunst- gewerbe hatte seine Wertigkeit verloren. Die Folge waren Defizite bei Stilfragen und im Entwurf, die auf der Londo- ner Weltausstellung von 1851 offen in Erscheinung traten. Die zweifelhafte Qualität im kunstindustriellen Bereich brachte eine heftige Debatte über die Gestaltung und Ent- wicklung einer den Gegenständen und ihrem Gebrauch entsprechenden Ornamentik in Gang. Verschiedene Ansätze wurden bis zum Ende des Jahr- hunderts von den Reformern kontrovers diskutiert. Das Arts and Crafts Movement um William Morris (1834– 1896) strebte als Vorbild das mittelalterliche Handwerker­ ideal mit der Bewahrung traditioneller Techniken an. Ent- gegengesetzt arbeitete Christopher Dresser, der die Er- rungenschaften der modernen Technik nutzte und ver- suchte, gutes Design für die Industrie zu entwerfen. Er ging sogar so weit, seinen eigenen Namen als Designer- marke zu etablieren, eine in jenen Jahren fast unerhörte Tat. Doch nicht nur die Technik stand im Fokus der Ent- werfer. Es galt auch, die Möglichkeiten auszuloten, die ein Material bot, wie es etwa Michael Thonet bei seinen Bug- holzstühlen vorführte. Im Vordergrund stand wieder die Rationalität und damit der verringerte Produktionspreis im Sinne kapitalistischer Grundideen. Dabei ging der Möbel- produzent sogar noch weiter, indem er das Vertriebssys- tem mit Gedanken revolutionierte, die heute noch nach- wirken.

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