Katalog
37 Als Peter Behrens 1907 in Berlin sein eigenes Architektur- büro eröffnete, war er bereits ein anerkannter Künstler, der sich mit seinen Beiträgen zur Künstlerkolonie Darmstadt und als Leiter der Kunstgewerbeschule Düsseldorf einen Namen gemacht hatte. Ferner gehörte er zu den Mitbe- gründern des Deutschen Werkbunds. Wie zuvor bei dem englischen Arts and Crafts Movement und der Wiener Werkstätte lag das Ideal in der Durchset- zung von Schönheit im täglichen Leben. Hatten die Arts and Crafts und verwandte Künstlergruppierungen gegen die Maschine opponiert und wieder ein vom Handwerk künstlerisch gestaltetes Gebrauchsgerät gefordert, so rückte nach 1906 das Industriedesign mehr und mehr in den Vordergrund. Zunehmend reifte die Erkenntnis, dass nicht im Kampf gegen die maschinelle Produktion, son- dern mit guten Entwürfen für die spezifischen Bedin gungen der industriellen Fertigung die Herstellung form schöner Gebrauchsgegenstände durchzusetzen sei. 1907 entstand in Zusammenarbeit von Künstlern, Architekten, Kunsthandwerkern und Fabrikanten der Deutsche Werk- bund, der einen unbestrittenen Anteil auf dem Weg zum Industriedesign in Deutschland haben sollte. Im Grün- dungsausschuss waren unter anderem Peter Behrens, Josef Hoffmann, Richard Riemerschmid und Bruno Paul vertreten, außerdem Firmen wie die Wiener Werkstätten, die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk Mün- chen und die Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst Dresden. Neben seiner Tätigkeit für den Deutschen Werkbund wur- de Peter Behrens von dem Unternehmer Emil Rathenau in den künstlerischen Beirat der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) berufen. Behrens gestaltete nicht nur die neuen Produkte der Firma, sondern auch die Werbe- mittel und Warenzeichen, die Innenräume der Verkaufs lokale und ihre Fabrikgebäude. Legendär wurde die Tur- binenhalle der AEG in Berlin-Moabit aus den Jahren 1908/09, die als Durchbruch der modernen Industriear- chitektur gefeiert wurde. Behrens entwarf alles in einem bestimmten kompromisslosen Stil, der das Erscheinungs- bild der Firma prägen und vom Kunden mit der Elektrofir- ma AEG und ihrer Modernität in Verbindung gebracht werden sollte. Unter der Vielzahl der elektrischen Geräte, die Behrens für die Firma entwickelte, wie etwa Lampen oder Ventilatoren, waren auch Tee- bzw. Wasserkessel. Bei seinen Entwür- fen für die AEG berücksichtigte Behrens gleichermaßen den rationellen Produktionsablauf. Durch normierte Teile sollten in der seriellen Fertigung unterschiedliche Produk- te hergestellt werden, um mit den Variationen möglichst viele Käufer anzusprechen. So wurde der elektrische Tee- und Wasserkessel in den drei Grundformen rund, oval und achteckig hergestellt. Jede Form gab es jeweils in Messing, Messing vernickelt und Messing verkupfert und weiterhin noch in drei unterschiedlichen Oberflächenbe- handlungen, nämlich glatt, gehämmert und geflammt gehämmert. Jedes der Modelle kam mit dem Fassungs- vermögen 0,75, 1,25 und 1,75 l auf dem Markt. Die von Peter Behrens 1909 entworfenen Kessel wurden bis 1932 unverändert zunächst von der AEG Berlin und ab 1922 von den Bing-Werken in Nürnberg produziert. ST Literatur Tilmann Buddensieg/Henning Rogge, Industriekultur. Peter Behrens und die AEG 1907–1914, Berlin 1979. | Joseph August Lux, Das neue Kunstgewerbe in Deutschland, Leipzig 1908. | Wilhelm Niemeyer, Peter Behrens und die Raumästhetik seiner Kunst, in: Dekorative Kunst, X. Jg. 1907, S. 137–165. Peter Behrens Plakat der AEG-Metallfadenlampe | 1907 Druck: Hollerbaum & Schmidt, Berlin Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
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