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71 Während in Deutschland das Staatliche Bauhaus prägen- den Einfluss auf die Entwicklung des neuen Lampen­ designs in den 1920er-Jahren nahm, ist es in Dänemark die PH-Leuchte, die das Bild moderner Beleuchtung nachhaltig prägte. Die PH-Leuchte, die nach den Initialen ihres Entwerfers Poul Henningsen benannt ist, zeichnet sich durch ihren dreiteiligen, in logarithmischer Abstufung geweiteten Lampenschirm aus. Dieser ermöglicht auf- grund seiner konvex geformten Schirmsegmente und deren Anordnung eine hohe Ausbeute an Licht bei gerin- gem Blendungsgrad. Die Wahl von Material und Farbe des Schirms bestimmt zudem den Lichtcharakter. Dem Entwurf dieser Leuchte gingen intensive Berechnun- gen und Experimente zum Licht der Glühlampe und seiner Brechung und Reflexion an einer Fläche wie dem Lam- penschirm voraus. Die horizontale Unterteilung eines Lampenschirms nahm Poul Henningsen erstmalig an ei- ner Hängelampe im Herbst 1921 vor. Studien zu Straßen- laternen und nicht realisierte Leuchtenentwürfe für das Kopenhagener Thorvaldsen-Museum führten im Frühjahr 1924 zur Entwicklung der elliptisch gebogenen Schirm- segmente, über die das Licht der Glühbirne gelenkt wird. Dieses Prinzip wurde bei verschiedenen Leuchtenmodel- len erstmalig 1925 ausgeführt, wozu die Pariser Ausstel- lung »Exposition Internationale des Arts Décoratifs et In- dustriels Modernes« die Gelegenheit bot. Zusammen mit der Kopenhagener Firma Louis Poulsen&Co. nahm Hen- ningsen die Lichtgestaltung für den dänischen Pavillon und die dänische Abteilung im Grand Palais vor. Basierend auf den Entwürfen für die Pariser Ausstellung fand Henningsen dann 1926 in Zusammenhang mit dem Wettbewerb zur Ausstattung der neu errichteten Kopen- hagener Messehalle »Forum« zu dem Prototyp der PH-Leuchte mit drei Schirmen. Die Herausforderung der Aufgabe lag darin, Autos in einer großen Halle auszu- leuchten. Erst diese Pendelleuchte entsprach der ange- strebten, völlig blendfreien Lampe mit größtmöglicher Lichtausbeute bei bedarfsbezogener Ausrichtung, indem sie das Licht der Glühbirne über den Schirm indirekt aus- strahlte. Sie war nicht wie die Pariser Modelle aus dem blenden Material Neusilber, sondern aus Kupfer gefertigt. Die Weiterentwicklung führte 1926 wiederum zu einer Ver- sion mit Opalglasschirmen, die eine zusätzliche indirekte Beleuchtung des Raumes ermöglichte. Die implizierte Variabilität des Entwurfs eröffnete eine Viel- zahl an Versionen in kurzer Folge: von Decken- über Tisch-, Boden- und Wandleuchten bis hin zu Kronleuchtern. Die Variante als Tischlampe kam bereits im Frühjahr 1927 auf den Markt. Die Poulsen-Leuchte war in den 1920er- und 1930er-Jahren äußerst erfolgreich und weit verbreitet. Ei- nes der prominentesten Beispiele ist die Ausstattung der Haupträume in der Villa Tugendhat, die Ludwig Mies van der Rohe 1930 in Brünn errichtete.   BB Literatur Ruggero Tropeano, Poul Henningsen. Modern Light Fitting, in: Domus, Mailand, Dezember 1995, Vol. 777, S. 75–83. | Steen Jørgensen/Tina Jørstian/Poul Erik Munk Nielsen, Lighting Logic. The PH Lamp – The Solution to the Problems of Lighting, in: Light Years Ahead. The Story of the PH Lamp, hrsg. von Tina Jørstian/Poul Erik Munk Nielsen, Kopenhagen 1994, S. 75–160. | Thomas Heyden, Mehr Licht! Lampendesign der »Neuen Sachlichkeit« in Deutschland, in: Kat. Die Metall- werkstatt am Bauhaus, Bauhaus-Archiv, Berlin 1992, S. 98–103. Wohnraum in der Villa Tugendhat mit PH-Deckenlampen | Brünn 1930

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