Katalog
115 Isamu Noguchi verband in seinen »Akari«-Papierleuchten japanische Tradition und westliche Moderne. Die ersten beiden Modelle skizzierte der Bildhauer und Designer ja- panisch-amerikanischer Abstammung 1951 bei einem Besuch der japanischen Stadt Gifu, die bis heute für die Fertigung von Papierschirmen und Lampions bekannt ist. Über 100 weitere Modelle sollten folgen, für die Noguchi die alte Technik der Laternenfertigung wiederbelebte, in- dem er sie für den Betrieb mit elektrischem Licht vorsah. Die Stehleuchte 10A zählt zu den ersten 14 Entwürfen der »Akari«-Serie, die bereits 1952 in Produktion gingen. Ihr runder Lampenschirm ist in traditioneller Weise aus Bam- busruten und Shoji-Papier, das aus der Rinde des Maul- beerbaums gewonnen wird, gefertigt. Hierfür werden die Bambusruten auf einen formgebenden Holzkörper zu ei- nem Gerüst gespannt, auf das die Papierstreifen aufge- zogen werden. Es ist dieser dünnwandige Papierschirm auf den äußerst zierlichen Standbeinen, welcher der Leuchte ihren charakteristischen Ausdruck von großer Leichtigkeit verleiht. So hat Noguchi die Serie nicht nur »Akari« benannt, weil es das japanische Wort für Licht ist, sondern weil es auch die Bedeutung von Leichtigkeit be- inhaltet. Bereits in den 1940er-Jahren setzte sich Isamu Noguchi in seinen bildhauerischen Arbeiten mit dem Thema Licht auseinander. Insbesondere in den selbstleuchtenden, abstrakten Reliefs »Lunars« verlieh er diesem Thema Aus- druck. Die »Akari«-Leuchten stellen eine Fortführung die- ser künstlerischen Fragestellung nach Qualität und Eigen- schaft von Licht dar. Dabei interessierte Noguchi einer- seits der illuminierte Körper, der dem Licht Form verleiht. Andererseits beschäftigte ihn die Wirkung des ausge- strahlten Lichts auf den umgebenden Raum. Die Tatsa- che, dass die Lichtform darüber hinaus als Leuchte im Sinne einer Wohnraumbeleuchtung und somit als alltägli- cher Gebrauchsgegenstand dient, erachtete Noguchi als zusätzliche Qualität seiner Entwürfe. In ihrer scheinbaren Immaterialität sah Isamu Noguchi die Verbindung von der traditionell gefertigten »Akari«-Leuch- te zu zeitgenössischen Gestaltungstendenzen. Das Hin- terfragen von Materialität entsprach seines Erachtens dem damals aktuellen Trend, wie er sich in den USA auch im Organic Design mit seinen bewegt fließenden Formen aus natürlichen Materialien in Leichtbauweise zeigte. 1955 beschrieb er diese Entwicklung in der kalifornischen Zeit- schrift »Arts & Architecture« als eine zunehmende Wert- schätzung für das »Weniger an Dinghaftigkeit« der Dinge: »We grow to appreciate more and more the ›less-thing- ness‹ of things«. Sowohl die Schule um den amerikani- schen Architekten Frank Lloyd Wright als auch japanische, italienische und finnische Strömungen prägten diese For- mensprache. Isamu Noguchi, der in seinem Leben eine Vielzahl an Reisen in unterschiedlichste Länder unter- nahm, in Japan und den USA lebte und in Europa einen langjährigen, prägenden Aufenthalt bei Constantin Brân- cuși verbrachte, kann als paradigmatischer Vertreter die- ser Richtung betrachtet werden. BB Literatur Hitoshi Mori, Design: Isamu Noguchi and Isamu Kenmochi, New York 2007. | Christian Borngräber, Stilnovo. Design in den 50er Jahren. Phantasie und Phantastik, Frankfurt (Main) 1979. | Akari – Isamu Noguchi, in: Arts & Architecture, Vol. 72, No. 5, 1955, S. 14 u. 31. Ausstellung von »Akari«-Leuchten in der Chuo Koron Gallery | 1954
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