Katalog
143 Die Firma Ing. C. Olivetti & C., S. A. zeichnete sich seit Anbeginn durch den Stil ihrer Produkte aus. 1908 war sie von Camillo Olivetti (1868–1943) und Domenico Burzio (1876–1932) als erste nationale Schreibmaschinenfabrik – wie es in großen Lettern über dem Fabrikgebäude prangte – gegründet worden. Zwei Jahre dauerten die Vorarbeiten zur Konstruktion des ersten Schreibmaschi- nenmodells, der M1. Doch mit ihrer Präsentation auf der Weltausstellung in Turin 1911 begann die Erfolgsge- schichte der norditalienischen Firma. Camillo Olivetti hatte klare Vorstellungen in Gestaltungsfragen. Nach seinen Worten durfte eine Maschine kein Salon-Spielzeug mit fragwürdigem Schmuck sein, sondern sollte eine sach liche, aber gleichzeitig elegante Form haben (Kat. Stile Olivetti 1961, S. 12). Mit diesem Credo war die Designlinie von Olivetti festgelegt, mit der die Firma ihren weltweiten Erfolg über Jahrzehnte feiern konnte. Regelrechten Kultstatus konnte die Reiseschreibma schine »Lettera 22« erlangen, die der Architekt Marcello Nizzoli entworfen hatte. Bereits seit 1930/31 war Nizzoli bei Olivetti angestellt und konnte auf einige erfolgreiche Entwürfe zurückblicken, wie beispielsweise die 1931 ent- standene »Synthesis«-Büromöbelserie, die Rechenma- schine »Summa« von 1940 oder die Büroschreibmaschi- ne »Lexikon 80« aus dem Jahr 1948. In den 1950er-Jah- ren setzte Nizzoli seine Entwurfstätigkeit für Olivetti fort und schuf in dieser Zeit eine seiner berühmtesten Arbeiten, die hier ausgestellte »Lettera 22«. Er hatte sie zusammen mit dem Techniker Giuseppe Beccio entwickelt. Sie sollte ein enormer kommerzieller Erfolg werden und das Renom- mee der Firma auf dem internationalen Markt stärken. Die extrem flache und nur 3,5 kg schwere Schreibmaschine erschien ganz schlicht. Die matte Pulverlackierung unter- strich die Eleganz der Maschine, die in verschiedenen ausgesuchten Farben von Mittelgrau über helle Grün-, Türkis und Rottöne angeboten wurde. Einzig der rote Um- schaltknopf der Tastatur bricht die Ernsthaftigkeit der Ge- staltung, und die Kannelierung an der Rückseite der Ma- schine bringt diskret eine Ornamentierung. 1954 erhielt Marcello Nizzoli den Compasso d’Oro für die »Lettera 22«. Bereits 1953 war sie in die Sammlung des Museum of Modern Art in New York aufgenommen wor- den. In zahlreichen Ausstellungen war die Reiseschreib- maschine präsent. So veranstaltete das Kunstgewerbe- museum Zürich 1961 eine Ausstellung mit dem Titel »Stile Olivetti«. Auch auf der documenta III 1964 in Kassel wur- den die Arbeiten von Nizzoli gezeigt. Beide Male war die »Lettera 22« zu sehen. Als das 75-jährige Firmenjubiläum gefeiert wurde, stand dieses unter dem Motto »Design Process Olivetti«. »DER SPIEGEL« schrieb von den »ele- gantesten Produkten des Maschinenzeitalters« und nann- te in seiner Rezension als Beispiele die von Nizzoli entwor- fenen Schreibmaschinen »Lexikon 80« und »Lettera 22«. Die »Lettera 22« wurde auch zum Liebling vieler Künstler und Intellektuellen, so etwa von Sylvia Plath, Leonard Cohen, Pier Paolo Pasolini oder Günther Grass. ST Literatur Hans Wichmann, Italien. Design 1945 bis heute, München 1988. | Design Process Olivetti 1908–1983, hrsg. von der Olivetti Company, Mailand 1983. | Kat. Stile Olivetti. Geschichte und Formen einer italienischen Industrie, hrsg. von Hans Fischli, Kunstgewerbemuseum der Stadt Zürich, 1961, Zürich 1961. Raymond Savignac Plakat für die Reiseschreibmaschine »Lettera 22« | 1954
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