Katalog

169 Die gleiche schlichte Linearität, welche Herbert Hirche bei seinem Glastisch und Sessel oder bei seinem variablen Wandsystem bewiesen hatte, kehrte auch bei seinen Phonogeräten für die Firma Braun wieder. Mit seinen re- duzierten, minimalistischen Formen, die in seiner Ausbil- dung am Bauhaus wurzelten, gehörte er zu den Pionieren des legendären Braun-Designs, das internationale Er- folgsgeschichte schrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Firma Braun AG in Kronberg bei Frankfurt neben Hans Gugelot auch Herbert Hirche mit der Entwicklung eines zeitgemäßen Designs beauftragt. Die von beiden erarbeitete Linie sollte später von Dieter Rams fortgeführt werden. Hirches erste Bei­ träge zur Unterhaltungselektronik waren Musik- und Fern- sehschränke. Die Geräte waren entsprechend der gängi- gen Vorstellungen als Kommoden und Schränkchen ver­ kleidet. So war beispielsweise der Musik- und Fernseh- schrank HFK von 1956 noch ganz im Sinne der Musik­ truhen entworfen und stellte ein halbhohes Schrankmöbel mit einer kubischen Aufteilung vor. Das Fernsehgerät konnte hinter einer verschließbaren Tür verschwinden, wenn nur das Radio betätigt werden sollte. Dieser Musik- schrank hatte einen ausgesprochen wohnlichen Charak- ter, auch wenn Hirche ihn in seinem stark reduzierten Stil gezeichnet hatte. Hirche arbeitete weiter an der Idee einer adäquaten Dar- stellung der neuen Medien. Sein erstes Fernsehgerät FS4 stand zwar auf eigenen Füßen, hatte aber noch einen furnierten Holzkorpus, um es in der Wohnung – dem all- gemeinen Geschmack nach – besser integrieren zu kön- nen. Doch kurz darauf war mit der Entwicklung von HF 1 im Jahr 1958 der erste Fernseher entstanden, der keinen Möbelcharakter hatte, sondern als exquisites Elektronik- produkt die modernen Zeiten präsentierte. Das kasten­ artige Gerät stand auf einem leichten, schwarz lackierten Stahlgestell. Revolutionär war das dunkelgraue Gehäuse ganz aus Kunststoff, wobei die Front zart hellgrau getönt war. Die Tastatur war hinter einer Klappe auf der Obersei- te des Geräts verborgen. Allein die Lautsprecherschlitze, der mittig dazwischen sitzende Bedienungsknopf und der Namenszug der Firma Braun gliedern die Vorderfront. Bei dem 1962 erschienenen Fernsehgerät FS 6 waren wegen leichterer Bedienbarkeit die Knöpfe auf der linken Seite der Vorderfront in klarer Gliederung angebracht, während man mit dem runden Schalter rechts unten durch Drehen den gewünschten Sender einstellte. Hirche zeigte seine Arbeiten auf nationalen und interna­ tionalen Messen und Ausstellungen. Dazu gehörten unter anderem die Triennale Mailand 1957 und die Weltausstel- lung in Brüssel 1958, auf der im deutschen Pavillon erst- malig der Fernseher HF 1 ausgestellt war. Im Jahr 1964 wurden Beispiele seiner Werke auf der documenta III in Kassel gezeigt. Seine zurückhaltenden Entwürfe wurden als Musterbeispiele einer neuen bundesrepublikanischen Produktkultur ausgestellt.   ST Literatur Kat. Herbert Hirche. Architektur Innenraum Design 1945–1978, hrsg. von Mia Seeger/Max Bil/Erwin Braun u.a., Landesgewerbeamt Stuttgart, Bauhaus-Archiv Berlin, Haus Industrieform Essen, Institut für neue technische Form Darmstadt, 1978, Stuttgart 1978. Fernsehgerät HF 1 | 1957/58 nicht ausgeführter Entwurf

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