Katalog
8 Die Sammlung Design ist die jüngste Abteilung des Kunst- gewerbemuseums. Als erstes seiner Art in Deutschland gehört das Haus zur frühesten Generation dieses neuen Museumstyps, der auf die neue Warenwelt, welche die Industrialisierung mit sich gebracht hatte, und ihr infrage gestelltes Qualitätsniveau reagierte. Die Weltausstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachten Refor- mer auf den Plan, die sich für ein Überdenken der Produk- tionsprozesse und Herstellungsweisen einsetzten, aber auch die Frage nach Stil und Geschmack stellten und wie diese zu vermitteln seien. Die Kunstgewerbemuseen wur- den mit dem Ziel geschaffen, Vorbilder für Gestalter, Hand- werker und Fabrikanten auszustellen und diese mit den angeschlossenen Unterrichtsanstalten zu schulen. Gleich- zeitig sollte die Öffentlichkeit am wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt teilhaben und die aktuellsten Neuigkeiten und Trends kennenlernen. Gerade die deutschen Produkte waren nicht wettbe- werbsfähig und wegen ihrer schlechten Qualität in Verruf gekommen. Aufgrund der wenig erfolgreichen Auftritte Deutschlands bei den verschiedenen Weltausstellungen veranlasste Kronprinzessin Victoria eine Studie, wie das Niveau der Gestaltung für die Industrie im Land zu heben sei und gab damit den entscheidenden Anstoß zur Grün- dung des »Deutschen Gewerbe-Museums in Berlin« im Jahr 1867. 1 Die treibende Kraft bei der Entstehung des Museums war eine staatliche Förderung der Wirtschaft, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu werden. Und so kauften Kommissare des Handelsministeriums Pro dukte auf den Weltausstellungen, welche in der Folge dem Kunstgewerbemuseum übereignet wurden. Die Sammlungspolitik war darauf ausgerichtet, Beispiele für gut gestaltete, vorbildliche Gegenstände anzukaufen und so wurden in den ersten Jahren Anstrengungen un- ternommen, neben den zeitgenössischen ebenso histo- rische Objekte zu erstehen. Durch die Aufteilung der Kö- niglichen Kunstkammer im Jahr 1875 kam hochbedeu- tendes Kunsthandwerk, etwa hervorragende Keramiken, Gläser, Elfenbein, Holz- und Lackarbeiten, Goldschmiede werke, Musik- und Messinstrumente sowie Textilien, hinzu und machte aus dem Gewerbeförderungsinstitut ein staatliches Kunstgewerbemuseum, wie es ab 1875 titu- lierte. Dennoch vernachlässigte Julius Lessing, der seit Gründungsbeginn mit dem Museum verbunden war und ihm ab 1872 als Direktor vorstand, nicht die zeitgenössi- schen Arbeiten, die er nach wie vor auf den Weltausstel lungen erwerben konnte. Aus der aktiven Rolle der Qualitätsvermittlung und Förde- rung der zeitgenössischen Handwerks- und Industrie produktion zog sich das Museum nach der Jahrhundert- wende zurück. Einen großen Einschnitt stellte sein Umzug 1921 in das nach dem Sturz der Monarchie verwaiste Hohenzollernschloss dar. Die Bestände des Kunstgewer- bemuseums – nun »Schlossmuseum« genannt – wurden mit dem dort nach dem Auszug von Kaiser Wilhelm II. noch vorhandenen kostbaren Inventar vereint und unter rein historischen Aspekten aufgestellt. Gleichzeitig wurden Bibliothek und Unterrichtsanstalt eigenständig und sind heute als Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Ber- lin und als Universität der Künste zu finden. Damit war der lebendige Teil des Museums abgeschnitten und es zum konservierenden Ort der Kunstgeschichte geworden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als das Berliner Schloss und mit ihm ein beträchtlicher Teil der Sammlung zerstört bzw. verloren gegangen war, besann man sich wieder auf die Anfänge des Kunstgewerbemuseums. Nach Jahren der Abkehr von den zeitgenössischen Ent- wicklungen begann man, sich abermals mit der Gegenwart zu beschäftigen. In den 1960er-Jahren kamen vereinzelt Stücke skandinavischen Designs, welches sich in jenen Jahren in Deutschland großer Beliebtheit erfreute und handwerklich geprägt war, ins Westberliner Haus am Tier- garten. In den 1970er-Jahren versuchte der damalige Direktor Franz Adrian Dreier, die Lücke von Objekten der Kurze Geschichte des Kunstgewerbemuseums Berlin und seiner Designsammlung
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