Katalog

9 1920er-Jahre zu schließen und kaufte Werke des franzö- sischen Art déco und des Weimarer Bauhauses, die al- lerdings meist kunsthandwerkliche Unikate darstellten. Gleichzeitig wurde im auf dem Gebiet der DDR eröffneten Kunstgewerbemuseum in Köpenick die Sammlung Ge- genwart aufgebaut, die sich ebenso auf Kunsthandwerk beschränkte und jegliches Design dieser Epoche vermis- sen ließ, sodass hier immer noch eine empfindliche Lücke klafft, die es zu schließen gilt. Ab Mitte der 1980er-Jahre baute Barbara Mundt zunächst als Kustodin, dann als Direktorin die Designsammlung des Hauses im Westen auf und folgte damit einem internatio- nalen Trend. Unter dem Begriff Design wurden Produkte verstanden, deren Entwurf auf die Massenfabrikation in der Industrie abzielte. Im Zuge des einsetzenden Design- booms dieser Jahre besannen sich viele Firmen, die mit zeitgenössischen Designern ihr Image aufbessern wollten und Umsatzsteigerungen erhofften, auf ihre historischen Entwürfe von inzwischen zu Idolen gewordenen Entwer- fern wie Marcel Breuer, Walter Gropius oder Le Corbusier und gaben sie als »Klassiker« heraus. In die Museen ge- langten diese Reeditionen wie beispielsweise die berühm- te »Wagenfeld-Lampe«, welche die Firma Technolumen herstellte, oder Möbel von Knoll International, Cassina oder Vitra, um nur einige zu nennen. Die Nachbauten be- völkerten die Designausstellungen und wurden gleichbe- rechtigt neben die Originale gestellt. Arbeiten der Mem- phis-Gruppe, der Postmoderne oder des Neuen Deut- schen Designs wurden direkt nach ihrem Erscheinen schon im Museum ausgestellt. Heute hat sich die Sicht- weise auf die Reeditionen geändert und im Berliner Kunst- gewerbemuseum wird in der ständigen Ausstellung ganz auf sie verzichtet. Denn besonders bei Industrieprodukten werden immer wieder Produktionsprozesse und Materia- lien verändert, um schnellere Ergebnisse und höhere Ge- winne zu erzielen. Der Entwurf bleibt zwar der gleiche, aber die Oberflächen oder die Größe verändern sich, wie beispielsweise beim sogenannten »Panton-Chair«. Somit verwandelt sich jedoch auch das Objekt, das nun nicht mehr authentisch erscheint. Wichtig ist heute die Ge- schichtlichkeit des Produkts, sein Aussehen in der Ent- stehungszeit, das sein technisches und soziokulturelles Umfeld zu verbildlichen vermag. Gebrauchsspuren und Patina gehören zum Design wie zu den Kunsthandwerken historischer Epochen. Hinter Kunsthandwerk, Manufaktur und Industrie steht am Beginn der Arbeit die Idee, der Entwurf. Durch die Arbeits- teilung, beginnend mit dem Manufakturwesen und seit dem 19. Jahrhundert durch die formalisierten Prozesse der Industrie in einem globalisierten System, trat der Entwerfer, der Designer stärker in den Fokus. So bildete sich im 20. Jahrhundert eine spezielle Designkultur he­ raus, die der Gestaltung von Alltagsobjekten eine beson- dere Bedeutung beimaß. Bei den Kriterien für Ankäufe und Schenkungen steht nun der künstlerische Entwurf im Mittelpunkt, die Lösung in Bezug auf Kreativität, Material, Form und Innovation. Nur solche Werke sollen Eingang in die Sammlung des Kunstgewerbemuseums finden, die neben einem herausragenden schöpferischen Entwurf einen kulturellen Wert für Gegenwart und Zukunft be- sitzen. 1   Kronprinzessin Victoria war die älteste Tochter Prinz Alberts, dessen Aktivitäten letztlich zur Gründung des South Kensington Museum in London geführt hatten und die ihr in Berlin als Vorbild dienten.

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