Katalog
87 HERMAN HECKMANN Der Zeichner Die Mutter war Malerin. Schon diese Herkunft gibt eine Erklärung für seine Art zu zeichnen: wie ein Maler, zumindest malerisch. Nie begnügte er sich mit dem Strich allein. Die reine Strichzeichnung, wie sie Heinrich Tessenow betrieb, dessen Streben nach größter Schlicht- heit Karl WilhelmOchs doch so nahestand, entsprach nicht seiner malerischen Auffassung. Auch die vom Strich her bedingte Abstraktion war nicht seine Sache. Weil er alles so anschaulich und plastisch wie möglich wiedergeben wollte, übernahm er auch nicht die Federzeichentechnik seines Lehrers Paul Bonatz, der mit Schraffuren die dunklen Partien darstellte, oder gar die von Hans Döllgast. Sucht man nach Anregungen und Vergleichen, so findet man sie vielleicht in der Generation eines Peter Behrens oder Alfred Messel. Auch sie verwendeten malerische Zeichenmittel; den weichen Stift oder Kohle. Selbst wenn Ochs mit der an sich schon malerischen breiten Feder zeichnete, verzichtete er nie auf die Tönung mit Kohle oder verdünnter Tusche. Nur an Farben hat er sich nicht versucht. Er muss Angst gehabt haben, sie »richtig« aufeinander abzustimmen – ein Relikt vom Einfluss der Mutter? Und unbefangen drauflos zu malen und beim Aquarell sich dem Zufall zu überlassen, das lag ihm offenbar nicht. Dazu war er viel zu sehr der Architekt, der nach einer vorher durch- dachten Konzeption arbeitet. Dass Karl Wilhelm Ochs so malerisch zeichnete, darf man natürlich nicht dem mögli- chen Einfluss der Mutter allein zuschreiben. Viel näher liegt es, bis in die Welt des Barocks zurückzublättern, als jede künstlerische Äußerung malerisch ausfiel; die des Architekten bei der Darstellungsweise genauso wie die Architektur selbst. Ochs liebte die Barockarchi- tektur über alles; namentlich in Oberitalien. Aber nicht von den Entwurfszeichnungen ist die Rede. Diese stammten ja fast immer von den Mitarbeitern. Vielmehr von den Reiseskizzen. Sie sind – und waren es in den ver- gangenen Jahrhunderten ja noch viel mehr – des Architekten von jeder Reise erhoffte Aus- beute. Sie entstehen in der Gegenwart sicher auch noch, aus der Vergangenheit sind sie zuhauf überliefert; aus dem 18./19.Jahrhundert von Knobelsdorff, dem Hamburger Arens und den Zeitgenossen bis zu Schinkel etwa und auch darüber hinaus in großer Zahl. Siena, 1937
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