Katalog

19 Der Schornstein in Chemnitz zeugt erst auf den zweiten Blick von der langen Malereitradition, die das Werk von Daniel Buren seit Anbeginn durchzieht. Suzanne Pagé, langjährige Museumsdirektorin in Paris, 1 ebendort heute Leiterin der Fondation Louis Vuitton, deren Architektur Daniel Buren 2017 mehrfarbig transformierte, setzte 1995, als sie die Gesamtleitung des Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris übernahm, die zunächst ungewöhn­ liche Idee um, einen großen Museumsraum zwischen Henri Matisse und Daniel Buren zweizuteilen: Der erste Raumteil ist seitdem der Präsentation einer frühen Ver- sion des Triptychons Der Tanz von Henri Matisse für die Barnes-Foundation in Philadelphia gewidmet, das die Familie Matisse-Duchamp wiederentdeckt und als Dau- erleihgabe zur Verfügung gestellt hatte; den zweiten Raumteil übergab Suzanne Pagé Daniel Buren, der die Hängung für eine Auswahl seiner stofflichen Streifenbil- der aus Privatbesitz konzipierte. Der DoppelraumBuren/Matisse imMusée d’Art Moderne de la Ville de Paris zeigt die Tradition, in der sich das bild- nerische Werk von Daniel Buren bewegt. Nicht zufällig legte er seine Konzeptkunst ohne jede Verwendung von Sprache, also nur mit bildnerischen Mitteln an. Seine Gegenüberstellung mit Henri Matisse macht deutlich, dass er mit demberühmten Vorgänger ein außergewöhn- liches dekoratives Talent teilt. Es prägt auch sein neues Werk im öffentlichen Raum in Chemnitz. Der Begriff »dekorativ« ist oft mit negativen Vorbehalten behaftet. Er bedeutet aber ursprünglich, besonders in der franzö- sischen Kunsttradition, dass der Künstler ein riskantes Werk so ausgewogen konzipiert, dass die Zeitgenossen es verstehen und es später, wenn der entsprechende Zeitgeist verloschen ist, seine visuelle Eigenständigkeit Photo-souvenir : Murs de Peintures (1966–1977), travail in situ , Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Paris, 1995. Détail. Fotoerinnerung: Gemälde- wände (1966–1977), Arbeit in situ , Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Paris, 1995. Ausschnitt.